The Legendary Pink Dots :: Seconds Late For The Brighton Line

Betörend-verstörende Klanggebilde aus einer anderen Zeit

Im Jahr 1982, als The Legendary Pink Dots ihr erstes Album „Brighter Now“ veröffentlichen, gewinnt Nicoles „Ein bisschen Frieden“ den Grand Prix Eurovision, Spielbergs „E. T.“ kommt in die Kinos und der erste Commodore 64 in die Elektroläden. Schon damals wollte diese seltsame Band mit ihren hochkomplexen Ideen und verwirrenden Songstrukturen nicht so recht in die Zeit passen, schien dieser weit voraus zu sein.

Daran hat sich seither nichts geändert. Dass es The Legendary Pink Dots nun schon seit 30 Jahren gibt, hört man „Seconds Late For The Brighton Line“ jedenfalls nicht an. Die an Krautrock und Kraftwerk geschulten empfindlich-experimentellen Progrock-Elektro-Epen, die verstörend-betörenden Soundlandschaften, die Phil „The Silverman“ Knight und Edward Ka-Spel mit „keyboards, synths and devices, both ancient and modern“ (O-Ton Booklet) erschaffen, klingen immer noch wie verwirrende Botschaften aus der Zukunft.

Zum Beispiel „Leap Of Faith“: Ein sich aus unzähligen Melodieschichten und Klangfarben zusammensetzender Teppich legt sich unter die Stimme Ka-Spels, lässt die Nummer zu einem großartig-düsteren Drama am Rande des Nervenzusammenbruchs werden, zu einer intimen TripHop-Meditation, der alle Erotik ausgetrieben wurde. „Feeling so alone now/ I really need a hug!/ Maybe more/ I’d clean the floor for your contaminated love“, singt Ka-Spel, bevor sein Flehen schließlich vom Zittern und Rauschen verschluckt wird. Oder die depressive Elektrosuite „Russian Roulette“: Zu einem blubbernden Synthesizerbass und einem unsteten Beat, der einen von links nach rechts schubst, zählt Ka-Spel, wie er die Welt sieht – „One is where I’d like to be/ Two is a crowd/ Three is where we have an argument that’s way too loud.“

Auch Stücke wie das psychedelisch-gravitätische „Endless Time“, das mit Monotonie, Noise-Schüben und sperrigen Harmonien spielt, oder das klaustrophobische „Radiation Day“ klingen lange nach. Mal gerät in „God And Machines“ eine Himmelfahrt zur Erfahrung des Nichts und der Leere, mal wird in „No Star Too Far“ der Ausflug zu den Sternen ein knapp zehn Minuten andauernder obsessiv groovender Trip. Und kaum hat die Minimalmusic-Suite „Hauptbahnhof 2010“ behauptet, im Hier und Jetzt angekommen zu sein, nimmt einen das Instrumentalstück „Ascension“ schon wieder mit auf eine 13-minütige Zeitreise. (Roir/Cargo)

Gunther Reinhardt

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates