The Pretenders – Pirate Radio

A1s sie bei den „Viva El Amor!“-Sessions 1999 auch „The Needle And The Damage Done“ aufnahm, wusste Chrissie Hynde sehr wohl, worüber sie sang. Ihren Bassisten hatte sie schon nach dem zweiten Album wegen exzessivem Drogenkonsum feuern müssen, und wie zehn Jahre vorher Danny Whitten verabschiedete sich auch ihr Gitarrist wenig später nach einer Drogenüberdosis. Das war übrigens die LP mit so lustigen Songs wie „The Adultress“ und „Bad Boys Get Spanked“ gewesen, die man danach vielleicht nicht mehr ganz so komisch fand. Der Neil-Young-Song schaffte es dann auch nicht mehr auf besagtes Album. Er ist eine von vielen sehr willkommenen Raritäten auf diesem Set, bei dem man am Ende auch ein halbes Dutzend Aufnahmen von „Loose Screw“ findet.

Begonnen hatte alles ein Vierteljahrhundert vorher, als sie sich mit James Honeyman-Scott zusammentat und der sich bei den ersten Aufnahmen der Pretenders als einer der originelleren neuen Gitarristen qualifizierte. Er war wesentlich für den innovativen Sound der Debüt-LP verantwortlich – mehr noch damals als der Produzent.

Von dem gibt es in Auswahl nur sechs Aufnahmen (und dazu „Precious“ in Demo-Version), von dem in ganz reformierter Besetzung aufgenommenen „Learning To Crawl“ gleich neun. Denn damit lieferte Chrissie Hynde ihre beste Song-Kollektion ab. Vielleicht auch, weil in Scorseses „King Of Comedy“ für den Soundtrack ausgewählt, wurde „Back On The Chain Gang“ der einzige Top-Five-Hit der Pretenders in Amerika. Wesentlich erfolgreicher war die aus Akron, Ohio, gekommene Sängerin auf Anhieb in England – Nr. 1 mit der Single „Brass In Pocket“ und der ersten LP. Die etwas längere und nicht so produktive Verschnaufpause füllte ihre Plattenfirma mit dem Album „The Singles“, das auch die mit UB40 aufgenommene Cover-Version von „I Got You Babe“ präsentierte. Die gibt’s hier, weil keine Pretenders-Aufnahme, zu Recht nicht.

Zehn Jahre nach „Learning…“ lief sie dann doch wieder zu großer Form auf. Weshalb „Last Of The Independents“ hier gleich mit neun Aufnahmen und einem unveröffentlichten Demo von „Every Mothers Son“ vertreten ist. Der Titel dürfte Programm gewesen und bis heute geblieben sein. Als solchen bezeichnete sich auch Walter Matthau in Don Siegels Gangsterfilm „Charley Varrick“. Das kurioserweise nie auf dem Live-Album „The Isle Of View“ zu hörende, sondern damals nur auf einer Maxi veröffentlichte „Creep“ ist einer ihrer besten Mitschnitte hier.

Mehr davon bietet die DVD. In den Liner Notes wird Ian Hunter mit der Behauptung zitiert, Rock’n’Roll sei „a loser’s game“. Sinnigerweise endet die vierte CD denn auch mit „The Losing“ von ihrem jüngsten Album „Loose Screw“. Aber egal, wie oft sie da wiederholt „I can’t rest, can’t rest until I’m losing“: Diese ganz vorzüglich neu überspielte Songkollektion hinterlässt nicht den Eindruck, dass Chrissie Hynde zu den klassischen Verlierern gehört. Im Gegenteil.

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