The Rising Of The Sun :: Großer Sänger, aber meist allzu konventionelle Reggae-Songs
Kein schlechtes Wort über Patrice! Der 34-Jährige ist ein begnadeter Sänger, der die Melodielinien von Soul und Reggae so gekonnt miteinander verknüpft, dass die Genres fast verschwimmen. Ein Auftritt im Vorprogramm von Barack Obama, im Berliner Tiergarten, hat Patrice 2008 einen gehörigen Popularitätsschub verpasst. Sein Talent als Produzent ist bislang weniger bekannt. Dabei ist sein Beitrag an den jüngsten Alben von Selah Sue und Cody ChestnuTT nicht zu unterschätzen. Auf „The Rising Of The Sun“ zeigen beide ihre Dankbarkeit mit Gastbeiträgen, von denen die ChestnuTT-Kooperation „God Bless You La La La“ zu den Höhepunkten des Albums zählt. Nicht zuletzt deshalb, weil Gitarre, Stimme und Songwriting des alten Schlawiners hier klar den Ton angeben. Der Song besitzt eine Unmittelbarkeit und Kraft, die vielen anderen fehlt. Hier passieren originelle kleine Pop-Dinge, während sich der Rest des Albums allzu gravitätisch in einem überkommenen Reggae-Verständnis wiegt.
Schlecht gemacht ist das nicht, auch wenn „One Day“ treu dem Pfad folgt, den Bob Marley einst mit Stücken wie „Exodus“ angelegt hat. Doch längst ist aus diesem Sound eine Autobahn der Beseelten geworden, die leicht duselig vom Ganja noch immer vom Auszug aus Babylon träumen. Muss das sein? Es ist auch keine Alternative, den dämlichen Slogan „7 million ways to die -choose one“, in „7 billion ways to live“ zu ändern, wie in „1 in 7“, das immerhin mit einem kecken Ska-Beat überzeugt. Aber vielleicht erwarte ich auch zu viel von einem Genre, das in den Siebzigern und Achtzigern die Musik revolutionierte, aber heute im Dornröschenschlaf auf einen Prinzen wartet, der es noch einmal wach küsst. Patrice, so viel ist klar, hat dazu leider nicht den Atem.
(Supow/Groove Attack) JÜRGEN ZIEMER
The Civil Wars