The Shangri-Las :: Remember

Wunderbare Song-Dramen der unvergesslichen Girl Group

Beinahe hätte es Billy Joel schon 1964 zu Ruhm gebracht. Er war nämlich bei der ursprünglichen (Demo)-Aufnahme von „Remember (Walking In The Sand)“ der Session-Pianist, den man mieten konnte wie Leon Russell und andere Cracks. Aber mit sieben Minuten Spieldauer war diese Ur-Ver- sion absolut radiountauglich. George Morton, Autor des Songs und von Jerry Leibers Firma auch als Produzent verpflichtet, kürzte eine Neuaufnahme mit anderen Session-Musikanten brutal auf 2:19 ein, fertig war der Nr.- 1-Hit, für ihn und sein Sangesquartett der Beginn einer so steilen wie kurzen Karriere. Sofern man als Basis dafür die Serie von Single-Hits der Jahre 1964 bis 1966 betrachtet. Tatsächlich wurde der Kult um die Shangri-Las mit den Jahren nur noch ein immer größerer als der um die anderen überragenden Girl-Groups jener Jahre.

Das Sangesquartett aus Brooklyn hatte vielleicht nicht so viele Hits wie die von den Brill-Building-Leuten mit prima Material versorgten Shirelles, aber das war nicht ausschlaggebend. (Die legendären Ronettes hatten, notabene, auch nur einen, die Chantels zwei, die Crystals drei ganz große Hits.) Die Tatsache, dass „Leader Of The Pack“, in England in den 70er- Jahren zweimal als Single wiederveröffentlicht, es dort jedesmal in die Top 10 schaffte, hatte ganz andere Gründe. Dieser Death-Rock-Klassiker ist sicher kein Pop-Überwerk wie „Be My Baby“. Er hat – wie andere Shangri Las-Aufnahmen – trotzdem die Fantasie von Musikern und Fans über Jahrzehnte hinweg immer wieder beflügelt.

Obwohl sie erklärte Fans der Ronettes waren, mochte Morton seine Schützlinge nicht in irgendeiner Variante von Phil Spectors patentiertem Sound produzieren. Die aufwendig arrangierten, fast wie kleine Hörspiele in Szene gesetzten Songs wichen – wie das gnadenlos kitschige, nur zu Beethovens „Mondschein-Sonate“ gesprochene „Past, Present And Future“ – kompromisslos von jeglicher Pop-Produktions-Norm ab. Trotzdem fanden es Agnetha Fältskog und unlängst auch Marianne Faithfull richtig und wichtig, genau dieses Lied wieder aufzunehmen.

Von Ryan Adams, Aerosmith und Belle And Sebastian bis Neko Case und Johnny Thunders haben sich nachgeborene Kollegen gern beim Shangri Las-Repertoire bedient, andere wie Joe Jackson auch schon mal durch berühmte Songverse zu eigenen Songs wie „Is She Really Going Out With Him?“ inspirieren lassen.

Und zwar nicht nur durch die Hits, sondern öfter auch durch nur auf den LPs erschienene tolle Songs, die auf dieser Retrospektive aller Red- Bird-Aufnahmen komplett vorliegen. (Dass die „Leader Of The Pack“-LP – nur Platz 109 der Hitparade – damals ein arger Flop war trotz der Hit-Serie, interessiert schon ewig niemanden.) Songs wie „The Train From Kansas City“ sind längst nicht weniger geschätzt als „Give Him A Great Big Kiss“ – mit dem von Kollegen immer wieder mal gern variierten gesprochenen Intro. Gelegentlich ließ sich auch ein für gute Ideen immer empfängliches Talent wie Amy Winehouse von Shangri-Las-Ohrwürmern inspirieren. Die Live-Mitschnitte von „Maybe“ (Chantels), „So Much In Love“ (Tymes) und „Shout“ (Isley Brothers) auf der zweiten CD signalisieren, wen die Damen damals ihrerseits sehr schätzten. (Charlie/Soulfood) Franz Schöler

The Dave Bartholomew Songbook ****¿

Famose Anthologie mit Stücken eines der großen Songschreiber

Was für ein Hans im Glück er war, als er drei Jahre nach der Gründung von Imperial Records das Multitalent Dave Bartholomew unter Vertrag nahm, war Lew Chudd zunächst selber gar nicht bewusst. Der erfahrene Trompeter und Bandleader wurde der kreative Kopf der Firma. Er hatte gerade erst seine schier endlose Serie von Hits begonnen, als Chudd ihm carte blanche für alle Produktionen gab. Das war auch eine kluge Entscheidung. Denn fast hätte er zunächst seine eigene Karriere als Boss einer unabhängigen Plattenfirma schon früh gegen die Wand gefahren.

Bartholomew hatte in diesem kleinen Hideaway-Club in New Orleans den 21-jährigen Pianisten Antoine Domino entdeckt und mit ihm den neuen Text für eine „geliehene“ Melodie geschrieben. Dem Ganzen gaben sie den Titel „The Fat Man“, engagierten für die Aufnahme das A-Team unter den Session-Cracks von New Orleans und nahmen den Song – fast ein Dutzend Musikanten in Cosimo Matassas winzigem Studio – am 10. Dezember 1949 auf. Chudd fand das Azetat klanglich so furchtbar, dass er jede Veröffentlichung in dieser Form ablehnte. Kollege Johnny Otis musste alle Überredungskunst aufbieten, damit Chudd das Stück dann schließlich doch als Single brachte. Es war der Beginn mehrerer großer und langer Karrieren.

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