The Shins – Wincing The Night Away
In ihre Mäntel eingefrorene Mädchen bevölkern die Songs der Shins; Mädchen, die schwerelos über dem Boden schweben könnten, wenn sie es nur wollten, die sich in Hausfluren in milchiges Licht getauchte Familienfotos anschauen. Und Jungen, die den Nachthimmel nach Kometen absuchen, die die verlöschenden Laternen anstarren oder, sich nach Berührungen sehnend, das Mädchen beobachten, das sich da auf der Tanzfläche dreht.
James Mercer ist der Impressionist unter den Indiepop-Songschreibern. Statt in den Liedern auf dem dritten Shins-Album „Wincing The Night Away“ einfach nur Geschichten zu erzählen, malt er lieber Stimmungsbilder. Um zu erkennen, dass es beispielsweise in der zärtlichen Pop-Ballade „Phantom Limb“ um zwei Kleinstadtmädchen geht, deren Liebe zueinander ein Geheimnis zu bleiben hat. muss man zwischen den Zeilen lesen. Wer dazu bereit ist, kann aber hinter Mercers von Philosophie und Sentimentalität angetriebenen Erkundungen einer magisch autgeladenen Welt gar ein Konzeptalbum ausmachen.
Zwar verirren sich in „Pam Berry“ nervöse Surfgitarren oder in „Australia“ ein vergnügter Uptempo-Beat und ein aufmüpfiges Banjo in das Repertoire der Shins. Doch das Quartett aus Portland bleibt auf dem Nachfolger von „Chutes Too Narrow“ (2003) dem Schlafzimmer-Pop treu. Ursprünglich sollte das Album „Sleeping Lesson“ heißen – nach dem Song, der die Platte mit einer meditativen Fingerübung auf einem gluckernden Synthesizer eröffnet und behutsam Rhythmuslagen aufschichtet, dann aber von einer Rockabilly-Gitarre aufgeweckt wird, um sich aufgewühlt hin und her zu wälzen.
Auch wenn Mercer, der behauptet, unter Schlaflosigkeit zu leiden, glaubt, auf „Wincing The Njght Away“ Spuren der frühen Jesus & Mary Chain gefolgt zu sein, so entdeckt man darin eher die Smiths und Air wieder. In dem mit ätherischen Chören, einer Slideguitar und einem Streicherensemble verzierten „Red Rabbits“ gelingt der Band die somnambule Sentimentalität besonders gut. Auch das psychedelisch-verschachtelt in dunklere Stimmungen eintauchende „Black Wave“ wirkt lange nach. Zu schwammig geraten dagegen „Sea Legs“, „Turn On Me“ oder „Spilt Needles“. Und gegen Ende des Albums gibt es zu viel Leerlauf, verlässt sich Mercer zu sehr auf seine Stimmungsbilder – und zu wenig aufs Songwriting.