The Strokes

The New Abnormal

Future-Pop der New Yorker Garage-Rock-Helden

Mit ihren ersten zwei Alben unterwarfen die Strokes sich einer strengen Garage-Rock-Haltung. Mutiger waren die ungeliebten Werke der Zehnerjahre, in denen sie Einflüsse wie Cyndi Lauper, Technotronic, A-ha, Flipper-Töne und den „Tron“- Film zu einer Art Pop verknüpften, der Retro und Future vereinte und in 20 Jahren als Arkaden-Musik wiederentdeckt werden könnte.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Ihr sechstes Album hoffentlich auch: „Eighties bands, where did they go?“, singt Julian Casablancas zu Oktavbässen und Gitarren, die wie Laserstrahlen klingen, und verkündet Metropolis-Visionen („Brooklyn Bridge To Chorus“). Wie sehr sich das Quintett von seinen Anfängen entfernt hat, zeigt gerade das einzige schwache Stück, „Bad Decisions“, angelehnt an Billy Idols „Dancing With Myself“  – nur über den Umweg eines offensichtlichen Zitats vermögen die Strokes sich noch als Rockband zu inszenieren.

Möglich, dass Achtziger-Nostalgiker Casablancas vor Grundlegung der Platte ein Machtwort gesprochen hat. Fans klagen weiter: „Aber diese Synthies!“ Doch der Freiheitswille der Strokes verdient Anerkennung. (RCA/Sony)

FÜNF AUF EINEN STREICH

The Strokes
The Strokes: 0

JULIAN CASABLANCAS – Der Politische

Solo ist bislang kein Stroke zum Chartstürmer geworden. Aber wer sich die langen Albumwartezeiten des Quintetts mit zumindest Strokes-ähnlicher Musik vertreiben will, liegt bei Hauptsongwriter Julian Casablancas richtig. Sein Debüt, „Phrazes For The Young“ von 2009, besticht bereits durch das heutzutage von seiner Truppe gelebte Atari-2600-Feeling. Mit The Voidz wiederum, einer Bande von Musikern, die wie Werwölfe aussehen, wünscht er sich die linke Revolution. Das Kernstück des Bernie-Sanders-Unterstützers ist die elfminütige Single „Human Sadness“, das vom Scheitern des kapitalistischen Menschen erzählt

ALBERT HAMMOND JR.  –Der Tausendsassa

Der musikalisch womöglich talentierteste Stroke, Sohn von Albert „It Never Rains In Southern California“ Hammond, war 2006 der erste mit einem eigenen Soloalbum („Yours To Keep“), auf das bis 2018 jedoch drei ebenso mäßige folgten. Seine früh den Garage-Rock sprengenden Gitarrero-Soli („Vision Of Division“, „Take It Or Leave It“) sind jedoch aufsehenerregender als die des zweiten Gitarristen, Nick Valensi, und echte Konzerthöhepunkte. Lockenkopf Hammond Jr. sieht aus wie eine Mischung aus Andy Kaufman und „Cruising“, also wie das Jahr 1980, und gilt als Stilberater der Strokes – er hat auch eine eigene Modelinie herausgebracht.

FABRIZIO MORETTI – Der Joker

Die Kreativität eines Drummers erkennt man nicht daran, wie groß, sondern wie klein sein Schlagzeugset ist: Er personifiziert bis heute den Garagen-Rock ihrer frühen Tage. Bei den Strokes ist Moretti, der einzige Nichtamerikaner der Band (er ist Italiener), für den druckvoll-durchgängigen, nahezu Fill-in-freien Velvet-Underground-Sound zuständig. Mit seiner Band Little Joy und dem gleichnamigen Debüt von 2008 hat Moretti die vielleicht beste, sicher aber die untypischste Solo-Strokes-Platte veröffentlicht: Bolero, Folk und Exotica, gemeinsam eingespielt mit Adam Greens Freundin Binki Shapiro und dem Brasilianer Rodrigo Amarante.

NICK VALENSI – Der Schöne

Wird auf Fotos oft in der Mitte platziert, die meisten halten den Beau – halb Tunesier, halb Franzose – sowieso für den Sänger. Valensi steuert die „Star Wars“- Gitarrensounds bei, aber dafür, dass er 2016 mit seiner Band CRX als letzter Stroke ein eigenes Album („New Skin“) herausbrachte, macht er auch die schlechteste Solomusik: wie Achtziger-Pop aus einem damaligen Ostblockland. Es gab böse Gerüchte, Valensi habe viele der unvollendeten Gemeinschaftsarbeiten der Zehnerjahre-Strokes heimlich für seine eigene Musik verwendet. Er gilt aber auch als die treibende Kraft hinter dem Meisterwerk „Comedown Machine“ von 2013 und als Komponist vieler der darauf enthaltenen Gitarrenmelodien.

NIKOLAI FRAITURE  – Der Stille

Nickel Eye (Wortspiel!) hieß die Band, die Nikolai – halb Russe, halb Franzose und mit dem Aussehen einer jüngeren Ausgabe des James-Bond-Gegenspielers „Beißer“ gesegnet – 2009 gründete. Er ist kein guter Vokalist, singt wie sein Leidensgenosse Casablancas deshalb oft durch einen Telefonhörerverzerrer, eröffnete das Dschungelpop-Debütalbum „The Time Of The Assassins“ aber selbstbewusst mit der Umsetzung einer Idee, die bei den Strokes niemals möglich wäre: einem Bass-Solo. Der heimliche Fan-Liebling der Strokes schart die prominenteren Gastmusiker um sich: Nick Zinner, Regina Spektor, Stephen Perkins (Jane’s Addiction). In den Instagram-Motiven seiner Frau, Ilona Jankovich, steht Fraiture im Bild wie ein einsamer trauriger Baum, den die Brandrodung verschont hat.

Stewart Isbell