The The: NakedSelf

„My life is halfway through, and I still haven’t done what I’m here to do“, singt Matt Johnson in einem Anflug leiser Verzweiflung in dem Song „SoulCatcher“ zur Akustik-Gitarre. Und erinnert sich dann, dass die Mama immer gesagt habe: „What you give is what you get“ Ach, Matt! Quäle Dich nicht länger! Wir wissen es besser. Wir wissen: Du hast dein Soll schon längst übererfüllt. Wieviel hast Du schon gegeben! Welcher andere Künstler kann schon von sich behaupten, mit „Infected“ bzw. „Dusk“ sowohl für die 80er als auch für die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts definitive Alben abgeliefert zu haben? Selbst „Hanky Panky“, der zuletzt in sich zerbröselten Nachlese auf Hank Williams, konnte man zumindest eine gewisse Chuzpe nicht absprechen. Dann kam die übliche Pause, noch länger diesmal, weil ein bereits fertiges Album (Arbeitstitel „Gun Sluts“) der alten Firma zu experimentell und extrem erschien und in die Ablage wanderte.

Neues Label, neues Glück? Auf den Alben, die man immer von diesem an sich und der Welt verzweifelnden Moralisten in Erinnerung behalten wird – mit Einschränkungen auch der frühe Klassiker „Soul Mining“ -, auf diesen Alben fanden sein schwerer Mut, sein Pathos, seine Prätention eine musikalische Form, die seine Projektion der gemarterten, wütenden Künstler-Seele nicht nur erträglich, sondern essentiell werden ließ. Diese Form findet Johnson, der inzwischen selbst in dem Land lebt und arbeitet, welches er regelmäßig für die wesentlichen Übel dieser Welt verantwortlich macht, auf seinem neuen Album nicht mehr. Punk-Ruppigkeit, Industrial-Sounds, Crooner-Versuche, Songwriter-Attitüde (aber zu wenig Songs): NakedSelf treibt ohne inneres Gefüge, ohne Zentrum vor sich hin – bombastisch inszenierte Leere hinter jeder Ecke, wenn Johnson auf Spatzen ballert, die schon längst von den Bäumen gefallen sind. Globalisierung und so.

Womöglich ahnte er das Desaster, hielt sich deshalb an Songtiteln fest, die immer nur zwei Worte haben und bald beliebig austauschbar wirken. Doch schon der Albumtitel hätte skeptisch machen können. Wenn einem Künstler die Metaphern ausgehen für das, was ihn umtreibt, ist meist der (jedenfalls vorläufige) Tiefpunkt erreicht.

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