There’s A Dream I’ve Been Saving 1966-71

Lee Hazlewood Industries

Er liebte seinen Schnauzbart, und er liebte es, ihn zu inszenieren: Mal posierte Lee Hazlewood im Kreise eines Dutzends junger Frauen, die nichts trugen außer einem angeklebten Schnäuzer, mal umringten ihn schnauzbärtige Schulkinder. Zweifellos war Hazlewood einer der großen Kindsköpfe des Pop, er schrieb Songs über morgendliche Erektionen und seine Liebe zu Schweden, produzierte eine Handvoll der interessantesten und erfolglosesten Künstler im nur von ihm als solchem erkannten Grenzbereich zwischen Country und Psychedelic, er erfand Duane Eddys epochales Gitarren-Twang und den Country-Rock – als er 1967 das Debüt von Gram Parsons kolossal unbekannt gebliebener International Submarine Band aufnahm, die auf dieser wunderbaren und tonnenschweren Box leider nur mit einem Stück vertreten ist.

Aber, klar: Berühmt wurde Hazlewood für seine lasziv-lichtscheuen Duette mit Nancy Sinatra. Eigentlich hätte er nach „These Boots Are Made For Walking“ aufhören können, der Song machte ihn leidlich wohlhabend und rechtschaffen unsterblich, aber er legte noch „Some Velvet Morning“, „Summer Vine“ und „I’ve Been Down So Long (It Looks Like Up To Me)“ drauf. Danke dafür. Mit seinem eigenen Label, kokett Lee Hazlewood Industries getauft, ging der pausbackige Mann jedoch baden: 5 Jahre, 18 Alben, 72 Singles – aber kein einziger Hit. Schließlich zog er sich nach Schweden zurück und nahm schlechte Platten in Deutschland auf.

Nun liegt der Teil seines Schaffens, den er bis 1971 auf LHI veröffentlichte, als Liebhaber-Box vor. Neben einem Bildband, einer Doku-DVD und allerlei Schnickschnack sind hier auf vier CDs die Hazlewood-Alben „Cowboy In Sweden“,“Requiem For An Almost Lady“ und „Forty“ versammelt, die Duette mit der wunderbaren Ann-Margaret und die mit seiner Muse und Mitproduzentin Suzie Jane Hokom (u.a. das Original von „Summer Wine“), außerdem Dutzende Singles und unveröffentlichtes Material von ihm selbst -und vor allem von seinen oft seltsamen Signings. Tolle Sachen gibt es zu entdecken: den psychedelischen Pop von The Kitchen Cinq und Hamilton Streetcar beispielsweise, zwei obskure Pilzkopf-Bands, von denen Erstere nach fünf Singles und einem Album in der Versenkung verschwand und Letztere es immerhin ins Vorprogramm der Doors schaffte. Oder die zauberhafte Girl-Group Honey Ltd., die in farbenfrohen Blusen und mit Stahlhelmen auf dem Kopf posierte. Es nützte alles nichts. Nur in den Fotos des üppig illustrierten Begleitbandes lebt Hazlewoods versunkenes Obskuro-Imperium fort. Oder – für den, der noch ein paar Euro drauflegt – in den WAV-Dateien der erweiterten Komplett-Box, die sämtliche LHI-Alben und Singles enthalten. Braucht man das alles? Irgendwie schon. Die anrührende Sammlung hoffnungsloser bis genialischer Pop-Entwürfe zeigt, was ein begabter Spinner leisten kann, solange er den Rückenwind und die Rücklagen eines Welthits hat. Dass ihm kein zweiter gelang, macht ihn fast noch sympathischer – Hazlewood konnte vieles, Kompromiss konnte er nicht. (Light In The Attic/Cargo)

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