Tindersticks :: The Hungry Saw

Präzise Arrangements, unübertreffliche Schönheit

Am Anfang ist es, als würden alle Instrumente einzeln vorgestellt, die den Tindersticks-Sound ausmachen: das Klavier, das elektrische Piano, die Orgel, dann der Bass, eine Melodica. Oder Geräte. die ihnen ähneln— so genau wusste man das bei den Tindersticks ja nie. Jenes rätselhafte Rasseln und Wummern, Flirren und Sägen klingt hier transparenter als ehedem, Violine, Trompete, Flöte kulminieren nicht mehr irr im Klanggetöse, sondern sind sorgfältig ausgestellt. Die Sprache der Undeutlichkeit, das war der Triumph der frühen Tindersticks-Musik. Das präzise Arrangement verspricht die Wonne ihrer späten Arbeiten zu werden.

Obwohl Stuart Staples alle Stücke schrieb, ist „The Hungry Sav“ kein Experiment in kauziger Kleinkünstelei wie seine Solo-Platten. Fünf Jahre sind seit „Writing For The Moon“ vergangen — damals schien das Konzept der Band ausgeschöpft, ja erschöpft zu sein. Es ist Licht geworden in Staples‘ Welt des Dämmers, des Zwielichts, des Nebulösen. Und doch gibt es ein Easy-Listening-lnstrumental mit Bläsern und kitschigem Summen vom Frauenchor: „E-Type“. Es gibt das schicksalsschwere Drama: „The Other Side Of The World“. Es gibt den Morgen danach: „Come Feel The Sun“. Es gibt den Trost der Erinnerung: „Yesterdays Tomorrows“. Es gibt das beiläufige, ironische Orgel-Tanztee-Intermezzo samt Geige: „The Organist Entertains“. Und Staples, der früher stets eine Pelzmütze auf der Zunge zu tragen schien, singt mit frischer Verständlichkeit. Manchmal.

Und wenn man gerade denkt, dass uns diese Band doch alles gegeben hat, spielt sie vier letzte Stücke von überwältigender, unübertrefflicher Melodramatik und Schönheit, wie aus einem Film von Douglas Sirk: „Mother Dear“, „Boobar Come Back To Me“, „All The Love“ und „The Turns We Took“. Stuart Staples singt für Mutters Herzschlag. Er singt für den Jungen, der er einmal war. Er singt für die Liebe, die seine Hände zittern lässt. Er singt in Limousinen und auf dem Rücken von Eseln. Er singt seine ganze Geschichte, geht den Weg zurück zu jenem Stück Papier in seinem Haus, auf dem alles geschrieben steht. „We wanted so much more/ We wanted something else.“

Selten gibt es eine Musik, die das Alltägliche so wunderbar in den Glanz des Einzigartigen verwandelt.

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