TODD SNIDER – Viva Satellite :: MCA/UNVERSAL
Schau‘ mir in die Augen, Kleiner! Und ich sag‘ Dir, wieviele Illusionen zwischenzeitlich flöten gegangen sind. Meerblau sind sie immer noch, die von Todd Snider, wie einst auf dem Cover seines Debüts „Songs For The Daily Planet“. Aber das Foto auf „Viva Satellite“, seinem dritten Album, zeigt sie tief in den Höhlen, unter sorgengefalteter Stirn. Trotzig packt der Songwriter aus Portland da gleich das „Rocket Fuel“ in den Selbsterhaltungstank. Und singt, schönen Gruß nach Nashville: „Down the road way out there, no one waits because no one cares. Red neck bottom of the corporate stairs, I’m gonna get my kicks while I still don’t care,“ Und: „Rock and roll you don’t care if I seil my soul.“
Scheiß auf Radiosongs! Scheiß auch auf „records being fourteen song landscape paintings“! Statt dessen begeisterte Snider, wie er im Booklet kundtut, die Idee eines „non-defintive roots rock“, wie sie seinem neuen Produzentenjohn Hampton für den potentiellen Kunden vorschwebte. Was das konkret heißt? Ziemlich einfach: weniger Roots, viel mehr Rock. Wenn auch im Sinne von „dig more Dylan, crank more Skynyrd“ (O-Ton Booklet). Jedenfalls kommt Snider nicht mehr daher wie Becks spiritueller Kompagnon (remember „My Generation Pt.2“?), eher schon wie Tom Pettys kleiner Bruder („Out All Night“, „Yesterdays And Used To Be“). Und Steve Millers „The Joker“ muß auch noch mal dran glauben, was spätestens nach k.d. längs Version überflüssig wirken muß.
Zu Lasten etwaiger Nuancen geht das alles aber nur kurzfristig. Einen ersten Haltepunkt bietet das leiernde TV-Delirium „Guaranteed“, in dem Snider die Glotze als letzte Autonomie-Bastion verhöhnt: „I got this knock out punch when Fm Channel surfing usa (…) I know I may be throwing my time away but at least Fm remotely in control.“ Ja: Viva Satellite! In der Akustik-Nummer „Can’t Complain“ kramt er – nichts zu verlieren, weil nichts zu gewinnen – noch einmal den Mut des Verzweifelten zusammen, der den Seelenkäufer noch nicht ganz abschlägig beschieden hat „I gotta make my last stand, this time I can’t be bought. Then again on the other hand how much have you got?“ Im Gospel „Once He Finds Us“ outet sich Snider einigermaßen kitschig als Jesus-Freak. Und wo Schatten ist („Comin‘ Down“), soll ja immer auch irgendwo ein Licht („You Never Let Me Down“) sein.
Und so geht es rauf und runter in der Welt des Todd Snider. Weniger Nabelschau hätte indes gutgetan, dafür mehr Trailerpark-Studien wie den abschließenden „Double Wide Blues“. Die Parade der Kaputten und Kopulierenden, diesen „soap opera heaven without all the dues“ schließt er ganz trocken. „Take me home… I think I’m drunk.“ Mal weitersehen, wenn der Kater überstanden ist.