Tom Petty & The Heartbreakers :: Hamburg, O2-World

Nach 13 Jahren kehrt Tom Petty zurück auf eine deutsche Bühne - mit einer Show, die kaum Wünsche offenlässt

Es ist ja nicht so, dass er für diese Gelegenheit nicht genau den Song, ja: Hit im großen Fundus hätte. Hier in Hamburg, der Stadt, die sich – nach einer einsamen „Rockpalast“-Club-Show im Gefolge des „Echo“-Albums 1999 – immerhin nur 13 Jahre gedulden musste (und nicht 20 wie der Rest der Republik und ganz Europa). Aber dann ist es doch wieder das fast noch aus dem Bühnendunkel gespielte Gitarren-Intro zu „Listen To Her Heart“ (und nicht „The Waiting“), das dem Warten in der fast ausverkauften Arena endlich ein Ende bereitet. Ein Bruce Springsteen, der seine Setlists mal eben kurz nach Lust, Laune und lokalen Befindlichkeiten durcheinanderwürfelt, ist der immer noch erstaunlich blonde Mann mit dem ergrauten Vollbart halt doch nicht. Petty und seine lässig in die Jahre gekommenen Herzensbrecher brauchen diesen vertrauten Fünfer-Block zu Anfang, der ihnen jetzt schon seit dem Tourstart in Colorado Mitte April heilig ist, zum Warmspielen und für erste Spielchen mit dem Publikum. Die spannende Frage ist daher auch beim dritten Europa-Konzert: Und was spielen sie als sechsten Song?

Doch so weit sind wir noch nicht. Wir dürfen erst noch sehen, wie Tom Petty den „Wildflowers“-Kracher „You Wreck Me“ tatsächlich mit ein paar flotten Wacklern seines schmalen Hinterns in Nadelstreifenhosen ausbremst. Wir erleben ihn nach „I Won’t Back Down“ in einer Siegerpose, die auch ironisch strahlt. Wir freuen uns, dass der Kontrast von Strophe und Refrain auch 33 Jahre nach der Uraufführung von „Here Comes My Girl“ noch schwindelerregend schön ist. Und wir wissen, dass Scott Thurston auch deshalb so unverzichtbar für diese schlafwandlerisch und doch nicht bloß routiniert agierende Band geworden ist, weil er als Roy-Orbison-Double in „Handle With Care“ die Illusion, hier stünden die Wilburys auf der Bühne, zumindest nicht ganz zunichte macht.

Der sechste Song in Hamburg ist dann „Good Enough“. Zuletzt im Set nach vorn gerückt, setzt die „Mojo“-Nummer dieses Konzert im Handumdrehen auf eine andere Schiene. Petty und sein treuer Husar Mike Campbell haben die Rickenbackers gegen schweres Gibson-Geschütz getauscht und frönen dem Heavy-Blues-Vibe mit dem wuchtigen Fleetwood-Mac-Cover „Oh Well“ gleich noch weiter. „Something Big“ spinnt den eher dunklen Faden perfekt weiter und mündet in eine tastende Zwiesprache von Campbell und Petty. Immer, wenn der seine blonde Telecaster ausführt, beginnt seine Suche nach diesem einen, womöglich transzendenten Ton. Gewiss, Campbell gehören die unsterblichen Signature-Licks, die selbst „I Won’t Back Down“ erst zu großem Pop machen. Doch es ist Petty, der später ein, nun ja: majestätisches „It’s Good To Be King“ in eine betäubende Instrumental-Klimax führen wird. Und dann mit wenigen, schneidend-singenden Tönen auch wieder hinaus.

„That’s a love song“, hatte Petty vorher „Free Fallin'“ angekündigt und ein paar Zwischenrufe lachend mit der Frage gekontert: „What’s so funny about that?“ Es ist das rhetorische Maximum eines Mannes, der sich gern bedankt und sonst weitgehend seine Musik sprechen lässt. Wohlfeiles Pathos ist ihm ähnlich zuwider wie ausufernde Party-Animation. Umso verblüffender ist es, wie er die Menschen, die so lange auf ihn gewartet haben, nur aus der Kraft seiner Songs heraus zu sich auf die Bühne holt. Das wird besonders deutlich im größten Überraschungsmoment des Konzerts, als er tatsächlich „You Don’t Know How It Feels“ aus dem Hut zaubert. Der „Wildflowers“-Song darf in Hamburg Tour-Premiere feiern – und wie Petty den Groove im Schlussteil runterdimmt, um einen kleinen Gesangsdialog mit dem Publikum zu starten, zeigt seinen souveränen Umgang mit großen Hallen. Und dann ist da später noch dieses feine Akustik-Arrangement von „Learning To Fly“, das einfach zu schön ist, um Kitsch zu sein.

Als „another headbanging song from, Mojo'“, kündigt er später den Brecher „I Shoulda Known It“ an. Doch es ist ein bissiges, ja fast wütendes „Refugee“, das die Fieberkurve nach oben treibt, vor dem Kehraus „Runnin‘ Down A Dream“. Petty und die Heartbreakers lassen sich eine Weile bitten, bevor die Standard-Zugabe mit „Mary Jane’s Last Dance“ und „American Girl“ keine Fragen und eigentlich nur den einen Wunsch offen lässt: dass er nicht wieder gar so lange warten möge bis zum nächsten Mal.

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