Tonträger :: im August

Unaufgeregter ist bisher kein Album von The Artist Everybody Still Calls Prince veröffentlicht worden. Plötzlich war „Newpower Soul“ in der Post, einfach so zwischen all dem üblichen Krempel, der wie Wurfpostsendungen in der Redaktionsstube landet. Kein geheimnisvolles Geraune unter Kollegen oder nervöses Gemauschel um die ersten Cassetten. Die Wfelt, zumindest die mediale, wartete auf Garbage oder die Beastie Boys, die ein Album über Jahre nachhallen lassen, bevor der nächste Schlag folgt. Was waren das für goldige Zeiten, als Prince die Botschaft vom ominösen „Black Album“ unters Volk lancierte! Noch Jahre später trafen Suchmeldungen vom Trödelmarkt ein. Schon damals standen Warner Bros, am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Für Aufregung sorgt er weiterhin in der Branche. Nach dem Ende seiner öffentlich angeklagten und somit auch künstlerisch angefochtenen Leibeigenschaft bei Warner vergab er das Triple-Album „Etnanäpation “ an EMI, während das ^CD-Set „CrystalBall“ lange lediglich per Mailorder bei seinem Label NPG Records erhältlich war. Die Lizenz dafür hat er kürzlich dann doch an mehrere amerikanische Warenketten verscheuert, ^ewpower Soul“ sollte zuerst bei Rough Trade erscheinen, nun wird es in Europa von RCA vertrieben. Im zerfallenen Reich des einsögen Prinzen der Lustbarkeiten regieren chaos &disorder. Und zwischen all Tonträger IM AUGUST

den Manövern hat The Artist Formerly Known As Prince eine weitere Stufe seiner Neutralisation gezündet: JVewpower Soul“, ein erstmals wieder reguläres neues Album, firmiert unter dem Namen seiner Band New Power Generation, die Anfang der Neunziger The Revolution ablöste und in der er selbst bei den Credits fast gänzlich aufgegangen ist: „Unless otherwise noted, neeargh!“ Das composed by ist gestrichen. Und dann gibt der gewendete Superstar „coming ,artists'“ den väterlichen Ratschlag: „Don’t seil out $ is only paper and your picture ain’t on it, but a good song never dies.“ Oje.

Das seien doch Nickeligkeiten, werden manche jetzt beipflichtend einwerfen, it’s the music that counts! Aber genau die ist das Problem. Seit „Symbol“ und nachdem Prince sich auf „Come“ symbolisch selbst begraben hat, wurden auch seine Songs beliebiger. In immer kürzeren Abständen brachte er Alben wie Maxis raus – zwei Hits und 2 much Füller. Ruhelosigkeit zeichnete zwar stets sein Wesen aus, das liegt wohl am Funk (oder am Funk in ihm), und diese korrespondierte mit seinem exzessiven Show- und Sex-Gebaren. Sein obsessives Schaffen festigte früher zudem seine Aura vom manischen Genius, da inmitten aufgetürmter Kompositionen selbst eine scheinbar an einem Nachmittag hingetuschte Ballade wie „Sometimes It Snows In April“ kryptisch strahlte. Sollten seine Songs später unter den Scharmützeln um seine Freiheit als Künstler gelitten haben, hat er sich noch nicht davon erholt.

Im Profil gleicht „Newpower Soul“ seinen übrigen Alben in den Neunzigern: Funk im „Come on, shake it baby, yeah, we’U be Iivin“-Session-Stil, als Standard oder Stückwerk von seiner Hornz-Section; sein natürlich unnachahmlicher, erregender Falsett-Gesang, geraunte Soul-Brother-Weisheiten sowie seine knappen, hohen Lustschreie. Schnulzen wie „When U Love Somebody“ und „The One“, die früher glasklar gelungen wären, klingen wie für Whitney Housten gedachte und von Michael Jackson gesungene Schmierenkomödien. Die beiden obligatorischen Hits sind dann „Mad Sex“, ein gefalliges Funk-Stück mit fetten Beats und schrillem Gitarrensolo – und vor allem ein unbetitelter Hidden-Track, der auf Platz 49 das gesamte Album übertrifft. Schwermütig seufzend singt das Symbol zum schweren Beat im Herztakt eine dreiminütige Ode an ein Liebespaar. Vom Synthesizer erklingt eine romantisch perlende Melodie, unterbrochen von einer entfernten Sirene und einem Fiepen, als würde gleich das Telefongeld zur Neige gehen. Sein „Purple Rain“ der Neunziger.

Seine enigmatische Autonomie als Howard Hughes im hysterischen Musikbusiness, das in Amerika vom Hip-Hop und insbesondere von Puff Daddy dominiert wird, strapaziert er zwischen kommerziellen Eitelkeiten und künstlerischem Eigensinn. Wie kaum ein anderer kann sich der Künstler, der Prince ist, auch wenn er sich als Phantom tarnt, in den verschiedenen Genres bewegen – nur tritt er längst auf der Stelle im eigenen Labyrinth. Auf „The GoldExperience“ irrlichterte er wie ein Alchimist durch sämtliche Stile, „Chaos & Disorder“ rockte ähnlich seinem Debüt „Dirty Mind“, Jlmancipation“ sowie die Bootlegs und Akustikversionen von „CrystalBall“ waren Archivrelikte, die man wie Artefakte hinter einer Glasscheibe bestaunte. Nun ist er wieder James Brown und George Clinton näher gerückt und ziellos zurückgekehrt zur Spielwut der Achtziger wobei er sich selbst kopiert oder klingt wie eine Kopie seiner Nachahmer.

Einer wie Maxwell. Sein zweites Album „£jnfrr>w“akkumuliert feine Spuren von“5ign 0′ The Times“, das den einen damals als Meisterwerk galt und andere für Manierismus hielten. Beides läßt sich auch von den Soul-Sinfonien sagen, die Maxwell mit viel Gespür für kontemplativen Groove und Gesang arrangiert hat Die Songs sind mit bis zu sieben Minuten so lang wie die meisten Titel, etwa „Tm You: bu Are Me And We Are You“ oder sogar „Eachhoureachsecondeachminute: Of My Life“, und in dieser Komplexität rauschen sie auch in einem steten Fluß vorüber, von keinem plakativen Refrain oder griffigen Akkord gebrochen. Das mag Schmock sein wie das Epos „Titanic“, ist aber auch auch ein Traum, in dem man wahlweise Stevie Wonder, Terence Trent D’Arby, Babyface, Seal, den Boyz II Men und kurz Barry White begegnet, ^mbrya“ bietet sich als redundante Kuschelstunde an und vereint alle Attribute des einschmeichelnden Soul wie moody, mellern, smooth. Maxwell verspritzt als soulful loveman mit einem Stimmenhauch mehr esoterische Erotik, als Prince in seinem omnipotenten Kosmos an Sexstellungen aufbieten kann.

Reifere Frauen, die einst Prince liebten, werden nun vom Balsam des jungen Rasta-Gottes betört sein, der Bryan Ferry bewundert und sogar Kate Bush in Soul-Nummern überführt hat Mädchen werden dem ausziehenden Blick des alten Satyrs verfallen. Womöglich zum letzten Mal.

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