Tori Amos – Scarlet’s Walk: Eine Reise durch Amerikas Seele, weniger anstrengend als zuletzt :: EPIC/SONY
Die Schuhe sind zu hochhackig, aber die Reise führt Tori Amos trotzdem weit. Einmal durch die USA, von West nach Ost. Einmal durch ein Reich von Mythen und Zweifel, Wut und Hoffnung. All das eben, was die Songschreiberin immer beschäftigt hat, nun aber konzentriert auf Amerika – das Land, die Frauen, den Geist.
In Los Angeles geht es los, mit „Amber Waves“, der anrührenden Geschichte einer Porno-Queen, die nicht mehr weiter weiß, aber immer noch von einem besseren Leben träumt. Der erste Song deutet schon an, dass diese Geschichten von all den verzweifelten, trotzigen, unbeugsamen Frauen nun ein wenig anders erzählt werden: Tori Amos hält sich auffällig zurück, ihre Stimme überschlägt sich nicht mehr so oft, das Piano flüstert manchmal bloß. Die Unaufgeregtheit, das weniger Hysterische macht „Scarlet’s Walk“ aber keineswegs gewöhnlicher, im Gegenteil: Es ist das erste Album von Amos, das man nicht zwischendurch abschalten muss, weil man nicht mehr kann. Es fordert einen, aber es überfordert nicht die Nerven.
Tori Amos hat „Scarlet’s Walk“ zu Hause in Cornwall selbst produziert, mit ein bisschen Hilfe von ihrem Ehemann Mark Hawley und ein wenig Ablenkung durch Tochter Tash. Sie war gerade von einer langen US-Tournee zurückgekommen, aber in Gedanken blieb sie noch lange dort. Doch gerade durch den Abstand, denn die Emigrantin längst zu ihrer einstigen Heimat hat, gelang ihr ein Album, das mehr über Amerika sagt als die meisten Werke ihrer ehemaligen Landsleute. Es ist nicht das plakativ-patriotische Amerika des Oliver Stone, den sie in „A Sorta Fairytale“ ohrfeigen möchte, und mit George W. Bush hat es wenig zu tun. Ignoranz gibt es allerdings zuhauf. Trotzdem sucht Arnos immer unter der Oberfläche und findet ihre Inspiration abseits der offensichtlichen Themen.
„Scarlet’s Walk“ überrascht einen mit unfassbar sinnlichen, melodischen Stücken („Don’t Make Me Come To Vegas“, „Pancake“), einem Indianer-Gebet, dem unheimlichen „I Can’t See New York“ und einem schwungvollen Popsong namens „Wednesday“, der einen umhaut, weil er fast ausgelassen beginnt und so zauberhaft weitergeht und dann mit den Worten endet: „I start humming ,When Doves Cry’/ Can someone help me/ I think I’m lost here/ Lost in a place called America.“