Travis – Good Feeling

Es wird eng für Oasis. Noel selbst erteilte den Schotten den Ritterschlag, darin ist er gerecht. Ein reichliches halbes Jahr nach dem Überraschungsschlag „All I Want To Do Is Rock“, einem rohen Stück züggellosen Hedonismus‘ und entfesselter, zerrender Gitarren, kommt das Debüt-Album, wieder mit blödem Titel und – aufs Ganze gesehen – sensationeller noch als die Single: „Good Feeling“. Travis sind, sagen wir es allgemein, Big Star und Grant Lee Buffalo und Stones und Nirvana und die La’s, sie sind das Beste von beiden Polen des Reiches, und zwar des Reiches Rock. Leider hat Amerika gegenwärtig keine einzige aufregende Band (sagen Sie nicht Pavement, sagen sie nicht Foo Fighters!), doch Travis retten auch vergangene Pracht von dort.

Das Schönste an dieser Musik ist, daß kein Intrument, kein Ton und kein Ornament zuviel zu sein scheint Alles tönt mit elementarer Wucht und sanftem Furor, das Harte und das Zarte fallen in eins wie vielleicht zuletzt bei Nirvana (und selbstverständlich bei Oasis). „All I Want To Do Is Rock“, in der Verklausulierung immer noch wünschenswert eindeutig, steht am Anfang, gefolgt vom nicht minder frivolen, nicht minder überwältigenden Gröl-Song „U 16 Girls“ („So make sure that she’s old enough/ Before you blow your mind/ She may loolc like she’s old enough/ But look her in the eye“) und dem nölig-quengelnden „The Line Is Fine“. Dann das heimliche Zentralstück: „A Good Day To Die“ ist eine süchtigmachende, bittersüße Ode an die Todessehnsucht und ans Leben zugleich, voll schillernder Ambivalenz und dabei so simpeL „Good Feeling“: ein lasziver, schleppender Boogie, schnoddrig und mit hingeworfenem Piano-Litermezzo. „Tied Tb The Nineties“: ein fröhlich-ironischer Klopfer über das Unglück der Unzeit. „We’re tired of the nineties/ But we’re tied to the nineties/ Remember the eighties/ es, they were worse than the nineties/ Nothing is lasting/ I stay in bed till my head falls off.“ Dazwischen der Schlachtruf: „Hey!“ Start a revolution front your bed.

Während Songschreiber Francis Healy im ersten Teil den ruppigen Aggressor gibt, wird er im zweiten melancholisch – doch auch dies mit dröhnender Gewalt Im Fade-out von „Funny Thing“ klingen die Gitarren wie Flugzeugmotoren, und dazu wiederholt Healy hoffnungslos: „People seldom change/ They always stay the same.“ Wohl wahr. Als Lyriker ist Healy dem begnadeten Legastheniker Gallagher beinahe ebenbürtig: Viele Worte werden nicht gemacht, komplizierte schon gar nicht, der Lakonismus aber ist von frappierender Schärfe – und außerdem: Rock-Lyrics, nicht wahr, müssen offen sein für Bedeutung und Deutung, je beliebiger, desto besser. Natürlich haben wir es hier, liebe Seminaristen, mit laddism zu tun, allerdings samt Kunsthochschule.

Macht aber gar nichts. Denn Travis sind zum Äußersten entschlossen: Daß sie laut sind, hat auch Herr Tricky gemerkt. Sogar Steve Lillywhite, der einst die damals noch aufmüpfigen U2 produzierte, konnte dem Quartett nicht den Sinn für den Zusammenhang von Melodie und Lärm austreiben. Es gibt Momente, die nur auf ersten Platten möglich sind: Zumal bei „A Good Day To Die“, auch beim sentimentalen „I Love You Anyways“ erinnern Travis an das Debüt der Amerikaner Grant Lee Buffalo, auf dem der Song ,Jupiter And Teardrop“, eine Ballade von reinstem Fatalismus, in wehmütiger Schönheit funkelte. Heute sind Buffalo langweiSechs Jahre haben Travis angeblich bis zu diesem Album gebraucht Keine verschwendete Zeit, wie man nun euphorisiert hört Ein besseres Gefühl gibt es selten. Buy here now. 4,0

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