Tree Of Life

Terrence Malick beschreibt anhand einer Familiengeschichte aus den 50er-Jahren nicht weniger als die Essenz des Menschseins.

Brad Pitt, Sean Penn

Regie: Terrence Malick

Die wichtigste Auszeichnung für diesen Film ist nicht die Goldene Palme von Cannes. Nicht mal der Oscar wäre es, für den er sicher nominiert werden wird. Es sind die Debatten um ihn. Kaum jemand streitet ab, dass Terrence Malicks sechster Film in 40 Jahren ein Meisterwerk ist. Aber um Details, die Aussage, die endgültige Beurteilung wird so leidenschaftlich gerungen wie nur noch selten im heutigen Kino. Diese einzigartige Hymne an die Schönheit und die Wunder des Lebens, die Meditation über Tod und Trauer, die Reflexion der Instinkte, die Phänomenologie der Liebe, der Zorn, der Ehrgeiz und die Gewalt lassen niemanden unberührt.

„The Tree Of Life“ ist die alles umfassende Darstellung des Menschseins und so reich an präzisen Beobachtungen, Emotionen, Symbolen und dramaturgischer Raffinesse, dass man ihn mehrmals sehen muss. Was zunächst konfus erschien, wird immer klarer. Was anfangs störte, erkennt man als unverzichtbar. Wo man sich erst einfach mitgerissen fühlte, sieht man die virtuos durchdachte Komposition dahinter. Jeder Satz, jedes Bild ist von Bedeutung und bleibt dennoch pures, tief bewegendes Gefühl.

Die Nonnen haben uns erzählt, es gebe zwei Wege im Leben, heißt es zu Beginn: den der Gnade und den der Natur. Gnade sei selbstlos, nehme Beleidigungen und Verletzungen hin. Die Natur sei eigennützig und wolle nur ihren Willen durchsetzen. Es ist der ewige Konflikt zwischen christlicher Nächstenliebe und Darwinismus, den Malick ebenso naiv wie komplex durchleuchtet. Dabei sieht er Gott nicht als höhere Existenz im Universum, dessen Entstehung er in einer 20 Minuten langen Sequenz vom Urknall bis zu den Dinosauriern zeigt, sondern sucht ihn im Menschen, der mit seinen natürlichen Trieben ringt.

Malick erzählt das Menschsein anhand eines Familiendramas in den 50er-Jahren, das mit einem Schock beginnt: Einer der drei Söhne von O’Brien (Brad Pitt) und seiner Ehefrau (Jessica Chastain) stirbt mit gerade erst 19 Jahren. Jahre später erinnert sich an dessen Todestag sein erwachsener Bruder Jack (Sean Penn) an die gemeinsame Kindheit. Mit poetischen Bildern zeigt Malick von der Geburt über erste Gehversuche bis zum ausgelassenen Toben auf einer Wiese eine glückliche Kindheit. Es sind Szenen, die sich zu sinfonischer Musik nahezu nonverbal vermitteln und vor allem die sanftmütige, gläubige Mutter charakterisieren. Der Ton ändert sich langsam, als die Jungs in die Pubertät kommen. Sie nehmen ihre Umwelt bewusster wahr, registrieren noch unsicher erstmals die dunkle Seite des Lebens. Damit kommt der Vater in den Fokus. „Wer Erfolg haben will, darf nicht zu gut sein“, bimst er den Buben ein, lehrt sie das Boxen und seine Lebensphilosophie: „Lass dir nie sagen, dass du etwas nicht kannst.“ Er ist Ingenieur, hat 27 Patente angemeldet, wollte aber Musiker werden und spielt Klavier. Er liebt seine Kinder, erzieht sie jedoch mit herrischer Strenge zu Fleiß und Disziplin. Darunter leidet vor allem Jack (grandios: Hunter McCracken). „Warum tut er uns weh?“, flüstert er einmal und gesteht später dem frustrierten Vater: „Ich bin genauso schlecht wie du.“

Die Natur ist in uns, daran lässt Malick keinen Zweifel. Die Jungs quälen Insekten, fordern sich zu Mutproben heraus, ballern fasziniert mit dem Luftgewehr. Aber auch Gnade ist möglich, das deuten immer wieder ergreifend zärtliche Gesten an. Am Ende, in einer surrealen Traumsequenz, erfährt der alte Jack noch die Erlösung. (Comcorde)

eingespielt. Damit empfiehlt er sich in Hollywood für ganz große Aufgaben. Wenn er sich treu bleibt, könnte er eine ähnliche Karriere zwischen Mainstream und Kunst machen wie Christopher Nolan. (Kinowelt/Studio Canal)

30 Minuten langes Making-of über die Entstehung des Films seit dem ersten Rohentwurf des Skripts vor mehr als zehn Jahren. Zudem erzählen Regisseure wie David Fincher, was sie an Terrence Malicks Filmen begeistert.

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