Vic Chesnutt – About To Choke :: RTD
KT ) Nichts haßt Vic Chesnutt mehr, als wenn man meint, er schreibe nur Songs, weil er behindert ist und im Rollstuhl sitzt Sicherlich ist das eine Komponente in seinem Leben, die unweigerlich auch seine Wahrnehmung, seine Songs, seinen Zynismus bewirkt. Aber es ist nicht der einzige Grund. Daß Vic Chesnutt einen subtilen Humor hat, weiß vielleicht nicht jeder – aber daß er die schönsten Songs jenseits der Schmerzgrenze schreibt, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Spätestens mit dem Erscheinen des zweiten Jhueet Relief-Albums, auf dem die Smashing Pumpkins, Madonna, RJLM«, Garbage und Kristin Hersh seine Songs covern, wird der kauzigeEinzelgänger mehr Beachtung finden. ^4bout Tb Choke“ ist sein fünftes Album und zeigt Chesnutt weniger laut und zornig, sondern in kontemplativer Stimmung, umgesetzt in größtenteils sparsame Arrangements. Simple Piano-Melodien, Schrammel-Akkorde, etwas Casio und Drum-Loops, meist von Chesnutt allein gespielt. Gelegentlich aber bricht er aus seiner Wohnzimmeratmosphäre aus und reichert den Sound mit ein paar handlichen Musikern zu wohlklingenden Kollektionen an. Unvergleichlich und einzigartig jedoch ist und bleibt Vic Chesnutts raunziger Gesang, seine in breitem Süd-Akzent intonierte Melancholie. Ein langgezogenes Gähnen läßt manche Vokale zu seltsamen Lauten mutieren. Das Wort „Americana“ als kleiner Rülpser herausgepreßt, langgedehntes, quäkendes „in my ladle_“, maunziges Entertainment im Easy-Synthie-Sound über die Leichtigkeit des Seins. Oder „Giant Sands“, große Sandkörner, große Empfindungen – und ganz nebenbei eine klangvolle Hommage an die gleichnamigen Freunde in Arizona. In „Degenerate“ läßt sein fragiles Songgerüst sich zur schönsten RJEAL-Hymne ausbreiten, ohne deren Stadionrock-Attitüde. Überhaupt hat Vic Chesnutt schon immer eine Musik entworfen, die eine ursprüngliche Version eines großartigen R.E.M.-Albums sein könnte. Dafür dürfen sie jetzt einen Chesnutt-Song auf „Sweet Relief B“ covern. Barbara Winkler