Vic Chesnutt – Ghetto Bells

Der Aufkleber! Neben Chesnutts Gesicht, auf dem sich wieder dieses maliziöse Grinsen andeutet, prangt die Ankündigung: „New album featuring Van Dyke Parks, Bill Frisell, Don Heffington“. Eine Abschreckung, zunächst. Natürlich sind diese Männer an sich großartig, aber Chesnutt hat sich in letzter Zeit zu oft von Fremden ins Handwerk pfuschen lassen: von Widespread Panic, von wohlmeinenden Produzenten. Am besten war er immer allein, mit ein paar Freunden vielleicht, aber ohne große Instrumentierung und zu viel Brimborium.

Die Erleichterung! Diesmal hat man ihm nichts kaputtgemacht, seine Schrullen nur angemessen in Szene gesetzt. Ob er nun von „Virginia“ erzählt, für die man sterben möchte (und wahrscheinlich auch muß), oder aus „What Do You Mean?“ fast ein Kinderlied macht (natürlich ein beängstigendes) – jedes Stück wird getragen von Chesnutts komischer Stimme und der noch komischeren, wieder wunderbar langsamen, fast schmerzhaften Akustikgitarre. Die Arrangements und das Klavier von Van Dyke Parks, die E-Gitarre von Bill Frisell, das Schlagzeug von Don Heffington – man hört das, aber meistens nur dezent im Hintergrund.

Die Frau, deren zarter Gesang gar nicht und deshalb wunderbar zu Chesnutts knarzigem Klagen paßt, ist seine Nichte Liz Durrett. Der Onkel setzt ihre Schönheit gezielt ein, sie nimmt den Lieder nicht ihre Schärfe, sie verstärkt eher das Gefühl, daß hinter jeder scheinbar einfachen Geschichte noch ein böses Geheimnis lauert. Southern gothic, darin war Chesnutt immer groß.

Welche Geschichten da immer noch rumliegen, in Athens/Georgia: von Vulkanen und Stechmücken, kleinen Caesaren und großen Wolken. Chesnutt kennt Wörter, die in Songs eigentlich gar nicht vorkommen können, aber er geht nicht verschwenderisch mit ihnen um, er sagt nie zu viel. Eine gewisse Irritation bleibt immer übrig. Selbst bei „Ignorant People“, das mit der Erkenntnis endet: „He has been so good to me/ You say not understand how I can be thankful to be where I am“. Wer’s glaubt, wird selig.

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