Vinyl VON WOLFGANG DOEBELING

Frank Sinatra – ComeFlyWithMe (Capitol/emi)

Eine der leichtgewichtigeren Capitol-LPs, beschwingt und lebensfroh. The Voice nicht auf Autopilot, aber in Feierstimmung in einem Mood-Mosaik von Songs, die sich je nach Flugzielort nicht nur atmosphärisch wandeln, sondern auch gleich spezifische Musikmerkmale des betreffenden Landes verblenden. Billy May und sein Orchester bilden ein Luftkissen von einem Klangkörper, Nelson Riddle sorgt auf einigen Tracks wie „It Happened In Monterey“ für linde Melancholie und Sehnsuchts-Drama. „Autumnln New York“, „April In Paris“ und „London By Night“ sind Liebeserklärungen, die 01′ Blue Eyes auf unnachahmlich samtene Art vorträgt. Im selben Jahr, 1958, folgte mit „Frank Sinatra Sings For Only The Lonely“ sein düsterstes und dichtestes Werk, das demnächst zur Wiederveröffentlichung auf Vinyl ansteht. Bleibt zu hoffen, daß Robbie Williams‘ gut gemeinte und nicht schlecht gemachte Frankieboy-Kopie einige seiner gescheiteren Fans den Wonnen zufuhren wird, die nur das Original bereithält. (4,0)

The Sonics – The Savage Young Sonics (NORTON)

Ein Schmankerl für Sonics-Fans: Die bislang nie auf Platte gepressten Hometapes dieser Proto-Punks aus dem Staate Washington. Extrem dünn, noch arg dilettantisch (Link Wrays „Rumble“ klingt mehr wie „Fumble“) und nur goutierbar, wenn man die beiden ebenfalls auf Norton-Vinyl erhältlichen Genre-Klassiker „Here Are The Sonics!!!“Boom“ bereits hat und musikologische Studien betreiben möchte. (2,5)

Rising Sons (COLUMBIA/SUNDAZEO)

Rising Sons waren Jesse Lee Kincaid, Ry Cooder, Kevin Kelley, Gary Marker und Taj Mahal. Eine hybride Formation, stilistisch zwischen Kincaids beatlesken Songs und Taj Mahals Country-Blues vagabundierend und veredelt von Cooders früher Meisterschaft an Dobro, Mandoline und Gitarre. Die Band sorgte an der Westküste für einiges Aufsehen, Byrds-Produzent (und Doris Days Sohn) Terry Melcher nahm sie unter seine Fittiche, Columbia finanzierte Sessions und veröffentlichte 1966 mit „Candy Man“ eine Single, die indes floppte und sich im Rückblick als Sargnagel einer allzu kurzen Karriere entpuppte. Die LP-Tapes blieben bis 1993 unter Verschluss und sind nun endlich auch analog zu haben. (3,5)

Todd Runderen -Something/Anything (GET BACK/CARGO)

Die Kritik war gespalten, als Rundgrens Flaggschiff 1972 vom Stapel lief. Von „Geniestreich“ bis „Hirngespinst“ reichten die Bewertungen der Rezensenten, doch liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte. Sicher, etliches auf dieser Doppel-LP ist barer Blödsinn, aber jenseits trippiger Banalitäten findet sich fast ein Dutzend Beispiele für konzise Pop-Kunst, die der Tausendsassa praktisch im Alleingang realisierte. Freilich wäre Rundgren – wie die Beatles bei ihrem Weißen Album – besser beraten gewesen, die Mediokritäten und Trivialitäten auszusondern und aus dem Rest ein großartiges Einfach-Album zu machen. (3,5)

The Who -Quadrophenia (POLYDOR/UNI VERSAL)

„Quadrophenia“ hat den Test of time fraglos besser bestanden als Pete Townshends anderes konzeptionelles Opus magnum, „Tommy“. Das liegt zum einen daran, dass dem Songzyklus über die gloriosen Tage der britischen Modszene und ihr unzeremonielles Vergehen nichts Klebriges anhaftet, nichts Pompöses und nichts Messianisches. Selbst der Film ist exzellent, während „Tommy“ in Bezug auf seine visuelle Umsetzung Assoziationen weckt wie: Elton! Tina! Musical! Dabei kann „Quadrophenia“ unter seinen 16 Tracks keinen Knaller aufweisen, kein „Pinball Wizard“, bestenfalls ein rumpeliges, wiewohl rasantes „5:15“. Vorbildlich ist die Universal-Edition in Sachen Ausstattung, von der erstklassigen Pressung der beiden LPs bis zum opulenten, das Original von 1973 reproduzierenden Cover-Artwork samt kompletter Fotogalerie. (4,0)

The Adverts – Crossing The Red Sea (Anchor)

Die Adverts hatten mit Sänger T. V. Smith und Bassistin Gaye Advert gleich zwei Aushängeschilder, das erste für die Musik zuständig, das andere mit Panda-Augen und hohlwangigem Punk-Chic für Sex und Image. Die Songs setzten mit voller Absicht auf Klischees: „One Chord Wonders“, „Bored Teenagers“, „No Time To Be 21“. Nichts davon wirklich essentiell außer dem einen sinistren, subversiven Hit: „Gary Gilmore’s Eyes“, eine Frankensteiniade über den damals gerade hingerichteten Mörder. Auf der Original-LP übrigens nicht vertreten, auf diesem (leider lausig gefertigten) Reissue schon. (3,5)

Kathryn Williams – Dog Leap Stairs (Snowstorm)

Die zweite LP der britischen Folkästhetin, „Little Black Numbers“, gehörte zu den schönsten des Jahres 2000. Nun ist auch ihr Debüt-Album vom Jahr davor wieder im Laden, exquisit gemastered (DMM), ebenso hochwertig gepresst (220g) und mit einer Bonus-Single (7inch) keine Wünsche offen lassend. Song-Preziosen in filigranen, feinnervigen Arrangements. Superb.(4,0)

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