Vinyl :: VON WOLFGANG DOEBELING

Nina Simone – Little Girl Blue (GET BACK/CARGO)

Die ersten, 1957 in New York für Bethlehem Records in New York City aufgenommenen Tracks der studierten Musikerin. Gerade 24 Jahre alt, singt Nina Simone wie eine junge, diszipliniertere Ma Rainey, spielt Piano zwischen Jazz-Cool und Klassik-Beflissenheit, nur begleitet von Jimmy Bond am Bass und AI Heath am Schlagzeug. Gershwins „I Loves You Porgy“, 1959 ein Hit für die Lady, ist ebenso vertreten wie ein früher Take von „My Baby Just Cares For Me“, ein paar gängige Genre-Gassenhauer wie Duke Ellingtons JMood Indigo“ sowie diverse rein instrumentale Showcases für Simones Fingerfertigkeit. „You’ll Never Walk Alone“ von Rodgers/Hammerstein hat man selten so understated, ja unterkühlt gehört. Zwar audiophil remastered, mit Bonus-Cuts, leider aber trotz Verwendung von Virgin Vinyl nicht frei von Verzerrungen. 3,5

Nina Simone – Silk & Soul (RCA/ BMG)

Ungleich sauberer klingt die mit knapp 40 Euro nicht eben billige japanische Pressung von Simones 67er Standortbestimmung zwischen Soul, Blues, Jazz und Easy Listening. In den Linernotes zur „High Priestess Of Soul“ verklärt, lässt die inzwischen militante Bürgerrechtlerin indes nur ausnahmsweise ahnen, wie sie zu dieser Hochschätzung gelangen konnte. So auf Jimmy Smiths furioser Moralpredigt „Go To Hell“. John D. Loudermilks „Turn Me On“ andererseits wirkt blutarm, und „Cherish“, ein aktueller Hit jener Tage in der Version von The Association, wird von Nina Simone so unnötig aufwendig umarrangiert, dass viel von seinem melodischen Charme auf der Strecke bleibt. 3,0

James Brown – Think! (Polydor)

So absurd das grübelnde Kleinkind auf dem Cover anmutet, so elektrisierend und ekstatisch war James Browns noch formativer, sich gerade emanzipierender Soul im Jahre 1960. Das gespenstisch verhallte „Wonder When You’re Coming Home“ nährt düstere Phantasien, das beatige „This Old Heart“ antizipiert den weißen Soul der Tamla-Ära, und die Hits „I’ll Go Crazy“ und „Think“ sind mehr als nur zwingende Tanznummern. Mr. Dynamite, kurz vor der Explosion. 4,0

Bob Dylan – Bob Dylan (COLUMBIA/SUNDAZED)

Warum Sundazed ihre verdienstvolle Dylan-Retro auf Vinyl nicht chronologisch veröffentlicht, ist unklar. Eindeutig ist, dass es die anspruchsvolleren Nachgeborenen schon sehr lange nicht mehr so leicht hatten, ihre Bobsammlung qualitativ aufzuwerten und sinnlich erfahrbar zu machen. Dylan vor der Digitalisierung, mit der nötigen Dynamik und Dichte. Und mono natürlich. Und das zum Preis einer lausigen CD. Kein übler Deal, wenn man bedenkt, dass die Originalpressungen der frühen Werke längst für höhere dreistellige Dollarbeträge die Besitzer wechseln. „Resembling a cross between a choir boy and a beatnik“, stellt Robert Shelton den 20-Jährigen in den Linernotes vor, „Mr. Dylan’s voice is anything but pretty.“ Bobs Debüt-LP, von John Hammond aufgenommen im November 1961 und ein paar Monate später in den Läden, beleiht die Traditionen des Folk und Country-Blues, bietet außer „Song To Woody“ keine bewegenden Originale und ist dennoch erstaunlich eigenständig. „11 not for every taste“, schreibt Shelton, „his music-making has the mask of originality and Inspiration.“ 4,0

Fred Neil Bleecker & MacDougal (ELEKTRA/SUNDAZED)

Fred Neils Reputation als so stilprägender wie charakterfester Folkie steht in keinem Verhältnis zu seinem Output auf Platte. Umso wichtiger erscheinen die wenigen LPs, zu denen er sich aufraffen mochte. JBleecker“ von 1964 ist zum Teil noch dem Hootenanny-Erbe verpflichtet, das Neil in den späten 50er Jahren angetreten und mit seinem Partner Vince Martin verwaltet hatte. Doch finden sich zwischen den Trad-orientierten Stücken auch bereits Beispiele für Neils Talent für lyrische, kunstfertige Songs wie „Little Bit Of Rain“. Erst auf diesen Cuts kommt sein warmer Bariton zu sich selbst Exzellente Pressung, remastered unter Verwendung der First-Generation-Tapes. Vorbildlich. 4,0

Fred Neil – Sessions (CAPITOL)

Es mag Zufall sein, dass Capitol fast zeitgleich Neils 68er Album „Sessions“ wieder veröffentlicht, nicht aber, dass es erst posthum geschieht. Obwohl der Künstler als solcher kaum mehr in Erscheinung getreten ist in den letzten 30 Jahren und mithin Zeit genug war, sein musikalisches Vermächtnis zugänglich zu machen, musste der Mann wohl erst durch sein Ableben die Nachfrage ankurbeln. „Sessions“ ist ein sprödes Werk von nur sieben meist epischen, elaborierten Songs. Folk-Barock, nicht so expressionistisch wie der Tim Buckleys und doch hochexpressiv. Neil lotet die tieferen Register seiner Stimme aus, singt über Regen und Bäume, schwarze Mädchen und schwarze Träume, das Leben, Lügen und den Tod. Keine leichte Kost, von Produzent Nick Venet mit gleich vier akustischen Gitarristen zusätzlich beschwert. Danach lebte Neil nur noch für die Delfine. 4,0

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