Volker Schlöndorff : Der Unhold

In Babelsberg gehen die Gespenster vergangener Glorie um. Volker Schlöndorff, alternder Autorenfilmer und linksliberaler Kulturbürger, wurde vor vier Jahren als Verweser des deutschen Kinogeistes bestellt, um aus den Ruinen der einstigen DEFA-Studios die versunkene Magie der Ufa-Ära zu renovieren und den archivierten Mythos ab moderne Medienmacht zu installieren. Andere waren kaum denkbar. Schlöndorff ist ein Cineast, der trotz seiner Affinität zur Nouvelle Vague so betulich wirkt wie ein Weinkenner, der traditionsreiche Tropfen bevorzugt; ein Intellektueller, der mit Vorliebe abiturpflichtige Lektüre verfilmt; zudem ein Europäer, Oscar-Preisträger und Heimkehrer, als die Einheit hereinbrach. Fortan fiel Schlöndorff als Kunze des Kinos auf. Nun ist Studio Babelsberg sein Bollwerk für deutsche Großproduktionen.

Mit „Der Unhold“ ist Schlöndorff sein bisher bester Kunde und damit eine Bewährungsprobe für Babelsberg. Die deutsch-französisch-englische Produktion ist in Budget, Namen und Anspruch groß gedacht und gemacht. Wieder griff Schlöndorff zur Literatur, dem Roman „Der Erlkönig“ von Michel Tournie. Es ist eine Odyssee des tumben Franzosen Abel (John Malkovich), der als Kriegsgefangener zum Mitläufer der Nazis wird. Seit sich einst – zufällig – sein Wunsch erfüllte, ein katholisches Internat möge abbrennen, glaubt er an seine gute Fügung – und also nicht an die Existenz des Bösen. Er liebt Tiere und vor allem Kinder, da Abel selbst ein Kind geblieben ist und so grotesken Nazis als freudig glotzender Zuhörer ihrer bizarren Ideologie und Obsessionen dient Das Klischee von Göring als schizophrener Sonnenkönig ist eher tragikomisch als erschreckend, und die Rassenlehre eines Arztes hat schon zirkushafte Züge. Sie sind die fleischgewordene Sicht von Abel, der personifizierten Blindheit, die es sich in einem Märchen eingerichtet hat. Sein endgültiges Glück meint der gutmütige Tor in einer Burg der Deutschordensritter zu sehen, wo Pimpfe beim Sport und Spiel mit Waffen erzogen werden. Er läßt sich dazu verführen, für die Nazi-Schmiede mit drei Dobermännern auszureiten und Müttern ihre Knaben zu entreißen. Zur nibelungenhaften Atmosphäre erschallen Wagner, Marschmusik und Hörnerklänge, eine plakative Pracht, in der immer auch der Heroismus der Riefenstahl schimmert Allein es löst sich nicht auf. Als Abels Traumwelt zusammenbricht, will er die Kinder retten, begreift aber nicht wirklich. Schlöndorffs gravitätische Fabel läßt nicht erschauert, und seine umständlichen Metaphern erhellen nicht.

Das Kino in Deutschland machen heute andere. Es braucht auch keine Quote, da es sich mit seinen Komödien bereits selbst amerikanisiert hat Die Gespenster spuken weiter in Babelsberg – und Schlöndorff macht als letzter das Licht aus.

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