Willie Nelson

Last Man Standing

Ein souveränes Alterswerk mit allen Topoi der Country Music zum 85. Geburtstag des amerikanischen Zentralmassivs

Der erste Satz auf dem Album „Last Man Standing“ ist „I don’t wanna be the last man standing“ – aber beim zweiten Gedanken überlegt der Sänger, dass er es vielleicht schon ist. Vorsichtshalber legt Willie Nelson ein munteres Western-Shuffle-­Tempo vor, das bei „Don’t Tell Noah“ fortgesetzt wird, bevor „Bad Breath“ den Aufgalopp zur gemütlichen Schunkelweise bremst.

Nelson schenkt sich und der Welt zu seinem 85. ­Geburtstag eine Platte – andererseits konnte er das Jubiläum kaum verfehlen, denn noch immer nimmt er in jedem Jahr mindestens ein Album auf, oder auch mal zwei oder drei. Er hilft bei Kollegen aus, er ist immerzu auf Tournee, er verströmt in Filmen seine Präsenz der anwesenden Abwesenheit: In Sydney Pollacks „Der elektrische Reiter“ und in Barry Levin­sons „Wag The Dog“ ist er der tutige, immer etwas verpeilte Herum­sitzer, der nicht begreift, worum es überhaupt geht – und das Geschehen deshalb vollkommen richtig erfasst.

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In den letzten Jahren (und „letzte Jahre“ heißt etwa 20 ­Jahre) war das ungefähr auch seine Haltung beim Plattenmachen: Wir haben einen Produzenten, wir haben Musiker, wir haben einen Haufen Songs, müssen ja nicht von mir sein, und wir haben auch die eine oder andere Plattenfirma – klingt wie ein Deal!

Manche Platten fielen auseinander, manche waren dem Western-Swing oder Django Reinhardt oder den Nelson-­Söhnen verpflichtet, manche beschworen das milde Outlawtum, das Willie Nelson in der Tradition des Maverick nachgesehen wird. „Last Man Standing“ ist ein Musizieren nach Zahlen der Country Music: In etwas mehr als einer halben Stunde dekliniert Nelson alle Topoi der handlichen Liedkunst durch.

Mit allen Wassern gewaschen

„Heaven Is ­Closed“, „She Made My Day“, „I Ain’t Got Nothin’“, „I’ll Try To Do Better Next Time“, „Very Far To Crawl“ – der mittel­späte George Jones hätte all diese Behauptungs-, Ermächti­gungs- und Überlebenssongs singen können. Nelson knödelt sie mit seiner intakten Ewigkeitsknarzstimme.

Das Souverän-Formelhafte der Darbietung ist vermutlich auch Buddy Cannon geschuldet, der seit einigen Jahren Nelsons Platten produziert und Stücke in einem Verfahren mit ihm schreibt, wie Taylor Swift mit wechselnden Profi-Songschreibern die Fragmente austauscht: Man schickt dem anderen einen Soundfile, der schickt einen zurück, und das macht den Tag. Cannon ist 70 und ein Buddy in einer Zeit, in der Willie Nelsons Entourage nur noch aus Buddys besteht, er hat Platten von Chesney Hawkes und George Strait produziert – und von Merle Haggard und George Jones.

Sagen wir so: Willie und Buddy sind mit allen Wassern ­gewaschen. (Sony)

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