Wire :: Red Barked Tree

Die Post-Punk-Pioniere haben alles überlebt, ohne sich zu ändern.

Wenn die grauen Männer in die Stadt kommen, gehe ich niemals hin. Gang Of Four, Monks, Sonics, Television, Pixies, Dinosaur Jr. – alle wieder da, aber alle besser aufgehoben im Kopf oder im Herzen. Reunion-Konzerte dieser Bands, und seien sie auch noch so rührend, verraten uns vor allem unser Alter. Und wer möchte das schon so genau wissen? In diesem Sinne werden Wire es als höchstes Kompliment auffassen, wenn ein Hörer Anfang Zwanzig „Red Barked Tree“ mit der neuen Rakes-Platte verwechselt.

The Rakes aber haben sich aufgelöst, während andere Epigonen mit kurzer Atmung gerade wieder zu ihren McJobs zurückkehren und widerwillig anfangen, sich für Free Jazz zu interessieren. In einem einzigartigen Akt der Selbstbehauptung haben Wire (obgleich immer mal wieder verschollen) alles und jeden überlebt. Auf „Red Barked Tree“ erläutern Colin Newman, Graham Lewis und Robert Grey am Beispiel von elf kontrollierten Ausbrüchen, wie man die letzten Reste von Post-Punk und New Wave verknappt, zerlegt oder ganz erledigt. „Please Take“ jedoch ist eigentlich ein Roxy-Music-Stück, dessen Worte man nicht aus dem Munde Bryan Ferrys hören möchte: „Fuck off, out of my face / You take up too much space.“

So wie „Adapt“ beginnen heutzutage Tocotronic-Songs, „Two Minutes“ und „Moreover“ erinnern noch einmal an die großen Alben „Chairs Missing“ und „Pink Flag“, deren fiese Angriffe aus dem Hinterhalt so einfach klangen, doch nur sehr schwer nachzuspielen waren. Aber „Bad Worn Thing“ ? Wire, selbst Opfer ungezählter Nachahmungen, müssen nicht das nachahmen, was heute so à jour sein soll. (Pink Flag/Cargo) JAN WIGGER

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