World Trade Center :: Start 28.9.
Staff Sergeant Dave Karnes nähert sich mit energischem Gang dem Schlachtfeld. Er brach auf zu seiner Mission, als er die Bilder im Fernsehen sah, kurzentschlossen, um etwas zu tun für sein Land, und ließ sich vorher noch den Kopf scheren, denn eigentlich ist er Reservist. Nun stapft er durch die qualmenden Trümmer, die in der anbrechenden Dunkelheit wie das Gerippe eines riesigen erlegten Tieres wirken, und entdeckt darunter in einem Loch zwei verschüttete Männer. Einer fleht, er solle nicht wieder weggehen wie die anderen, und Karnes antwortet im schneidigen Ton: „We’re not leaving. We’re Marines.“
Oliver Stones „World Trade Center“ ist ein Kriegsfilm, auch wenn es erst nicht den Augenschein hat. Militärische Symbolik zieht sich durch den Überlebenskampf der Polizisten John McLoughlin (Nicolas Cage) und Will Jimeno (Michael Pena), die verletzt unter dem Schutt eines der New Yorker Zwillingstürme liegen. Wie Granatbeschuss mutet Stones Szenario an, wenn immer wieder Stahlträger verrutschen oder Kabel gefährliche Funken sprühen. Unterdessen fahren Vertrauenspersonen aus der Dienststelle bei ihren Frauen (Maria Bello, Maggie Gyllenhaal) vor, wie man es aus Kriegsfilmen kennt: Missing in action. Und als schließlich Retter zu ihnen hinabsteigen, reicht Karnes einem zuvor sein Armeemesser, „das beste Messer der Welt“.
Die Terroranschläge vom 11. September 2001 waren für die Amerikaner nicht nur eine gefühlte Kriegserklärung. Die Nation stand von diesem Moment an geschlossen zusammen. Alle Differenzen waren vergessen sogar Stone vollzieht nun einen Schulterschluss. Der früher so schonungslose Chronist amerikanischer Tragödien verzichtet völlig auf Hintergründe, analysiert nicht mögliche Ursachen, reflektiert keinerlei Folgen. Er überlässt diesen Stoff den Verschwörungstheoretikern, Bloggern und linken Kritikern, fokussiert statt dessen auf den Schmerz und die Trauer gewöhnlicher Leute im Angesichts des Unbegreiflichen. Er zeigt Tränen, Konfusion, sentimentale Rückblenden auf das Familienleben mit Weichzeichner aber keine Details, die man nicht bereits gesehen hat in typischen Katastrophenfilmen oder den zahllosen Reportagen über 9/11. Auch Stone erzählt hier eine wahre Geschichte, er bemüht eine Objektivität, die allerdings im Kinoformat mit ideologischem Pathos aufgeladen wird. Mit der reinen Emotionalität bestätigt er indirekt die politische Linie danach und wird dafür nun von den Konservativen wie ein einst verlorener Sohn umarmt.
In Interviews, gerade für Europäer, äußert Stone sich dazu viel kritischer. Er sah sich auch immer als guter Amerikaner, der die tatsächlichen Landesverräter anprangert. Zu denen zählt er neben Präsident George W. Bush auch den ebenfalls authentischen, andauernd von Rache redenden Staff Sergeant Karnes, der für zwei Jahre in den Irak geht, wie eine kurze Zeile am Ende von „World Trade Center“ informiert. Fünf Jahre nach der Katastrophe setzt Stone mit diesem Film ein falsches Zeichen.