Xmal Deutschland

„Gift (The 4AD Years)“

4AD/Beggars (VÖ: 9.5.)

Hanseatische Düsternis auf dem Londoner Edel-Label.

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Die Wiederentdeckung der Hamburger Frauenband begann bereits im März 2024, mit der Compilation „Early Singles“. Nun meldet sich auch das Londoner Label 4AD, das seit jeher ein Faible für schattige Molltöne pflegt, mit einem 3-LP/2-CD-Boxset. Das geschmackvoll gestaltete Paket umfasst die frühen Alben „Fetisch“ (1983) und „Tocsin“ (1984), EPs aus jener Ära sowie Tracks wie „Qual“, dazu eine tolle Fotogalerie und Cover-Artwork.

Das ursprüngliche Quintett gehörte zu den wenigen deutschen Post-Punk-Bands, die auch in Großbritannien geschätzt wurden

Nun gehörte das ursprüngliche Quintett zu den wenigen deutschen Post-Punk-Bands, die auch in Großbritannien geschätzt wurden. In zentralen Clubs wie dem Batcave galten sie neben Siouxsie And The Banshees oder Bauhaus als essenziell. Erst jüngst attestierte der „Guardian“ Sängerin Anja Huwe ein „Arsenal an avantgardistischen Posen und die Mimik eines Stummfilmstars“. Teutonische Nosferatu-Atmo, die international ankam. Wenn man heute Songs wie „Stummes Kind“ mit Textzeilen wie „Dein Kopf ist dein Gefängnis“ oder „Danthem“ hört, erschließt sich sowohl der scheppernde Punk-Vibe als auch das tragische Schwelgen, das schnell im Dark-Wave-Fach eingeordnet wurde. Exotisch, nicht nur für Briten.

Huwe, die in den Neunzigern in der Techno-Szene unterwegs war, fühlte sich im engeren Gothic-Umfeld recht bald eingeschränkt. Das zeigt sich bereits in einigen Songs von „Tocsin“, die trotz der Gitarrenwucht auch Elektronisches anklingen lassen. Die 4AD-Jahre stehen für ein Momentum der Düsternis, dessen Zerfall in expressive, rätselhafte Beats bereits angelegt war. Die Versuche der Band, bei einem Major-Label weitere Stilgrenzen zu sprengen, sollten später allerdings scheitern.

Diese Review erschien im Rolling Stone Magazin 5/25.