Rock En Seine: Get Well Soon wagen den großen Aufschlag

Ralf Niemczyk war für uns am Wochenende auf dem Rock En Seine und sah Get Well Soon "als Edel-Programmpunkt vor Bloc Party und Placebo mit dem 60köpfigen Nationalorchester der Ile-de-France".

Das Stadtfestival ist der kultivierte Bruder der vielen Artgenossen auf Matschäckern, Kiesgruben oder Autorennstrecken. Es gibt weder Camping-Elend mit Aldi-Ravioli vom Bundeswehr-Gaskocher noch Kampftrinker-Exzesse mit Billigfusel aus TetraPacks. Stattdessen sind Stadtfestivals gemeinhin urbane Angelegenheiten, wie sich das für weite Bereiche der Rock- und Popmusik auch gehört. Noch gediegener geht es zu – unter Berücksichtigung aller Gesetzmäßigkeiten von Massenveranstaltungen – wenn diese Ereignisse in Frankreich oder Spanien stattfinden.

Zu Rock en Seine in Paris etwa gelangt man vom zentralen Place de la Republic in einer knapp 40minütigen Fahrt mit der Metrolinie 9. Hier direkt am Fluss befindet sich neben dem Nationalmuseum für Keramik ein weiträumiger Monumentenpark mit kastaniengesäumten Wegachsen. Raum genug für rund 30000 Besucher pro Tag, zwei große und zwei kleinere Bühnen, ein Riesenrad und allerlei andere Belustigungen. Darunter ein opulenter Stand für regionale Weinspezialitäten in Landgut-Optik. Das drei Tage dauernde „Rock en Seine“ konnte 2012 sein zehnjähriges Bestehen feiern. Es eröffnet, begleitet von landesweiter Medien-Aufmerksamkeit, die popmusikalische Herbstsaison in Frankreich.

So war es durchaus eine Ehre, dass in diesem Jubiläumsjahr ausgerechnet eine deutsche Band als Edel-Programmpunkt vor Bloc Party und Placebo (Headliner am Eröffnungs-Freitag) mit dem 60köpfigen Nationalorchester der Ile-de-France spielen durfte. Das ganz große Format für Konstantin Gropper und Get Well Soon, deren cinematografischer Sound des neuen Albums „The Scarlet Beast D´ Seven Heads“ natürlich bestens zum gepflegten Boombastic-Entertainment a la parisienne passt. Ein wenig Bammel hatte Gropper natürlich, die im Heimstudio entstandenen Tracks in Orchester-Partituren umzuschreiben. Da war es durchaus hilfreich, dass er sich mit den Gepflogenheiten der klassischen Musik auskennt.

Die Errichtung der GWS-Klangkathedralen begann dramaturgisch passend in einem heftigen, donnergrummelnden Kurzgewitter. Regen-Ouvertüre über der Seine. Das New-Wave-Schwarz des Meistros, das vom weißen Gewand seiner Schwester Verena am Gesangsmikro nebenan gekontert wurde, wirkte so noch unheiliger. Spätestens nach den ersten Ansagen auf französisch („Nouvelle Single oder äh, Nouveau Single“), die vom Publikum überaus freundlich aufgenommen wurden, war die Anfangsnervosität verflogen. Und als „Angry Young Man“ vom „Vexations“-Album als „Rocksong“ angekündigt wurde, hatten Get Well Soon die Massen am Wickel. Die Live-Fusion von Pop/Rock und Klassik ist ja nicht nur für den Mann am Mischpult eine heikle Angelegenheit, sondern endet gerne auch mal einem schalen Gesamteindruck. In Paris hielten GWS den Spannungsbogen über 50 Minuten, von Emo-Balladen bis hin zum Grande Finale mit „You Cannot Cast Out The Demons“, wo Gropper die Kesselpauken malträtierte und das Orchester die Funken fliegen lassen konnte. Mit dem herzlichen Schlussapplaus brach sich die Sonne durch die Wolken. Experiment geglückt.

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