Rocko Schamoni ehrt den großen Wortkünstler Heino Jaeger

Sein neuer Roman zeichnet das tragische Leben von Heino Jaeger nach, eine Art Urvater von Studio Braun. Wer war dieser Mann?

Auf seiner Spurensuchen links und rechts der alten Reeperbahn ist Rocko Schamoni wieder fündig geworden. Nachdem er in seinem 2019er-Roman „Große Freiheit“ den Mythos von Schattenwelt und Rotlicht beschworen hatte, steht nun das vergessene Genie Heino Jaeger im Mittelpunkt. In der Fiktion bewundert seine Erzählerfigur Joska, die ebenfalls ein historisches Vorbild hat, den Wortkünstler Jaeger als „Meister“. Der echte Jaeger führte das Leben eines Getriebenen, das ihn bereits Mitte der 1980 in die geschlossene Psychatrie führte. Dort verstarb er 1997 nach einem Schlaganfall.

Vicco von Bülow alias Loriot wird mit den Worten zitiert: „Wie konnte es geschehen, dass Heino Jaeger 25 Jahre ein Geheimtipp blieb? Wir haben ihn wohl nicht verdient.“ Besonders im Radio hatte der in den späten 1950ern ursprünglich als bildender Künstler gestartete Jaeger seine kurze Glanzzeit. Heute sind seine Sendereihen „Fragen Sie Dr. Jaeger“ und „Das aktuelle Jaegermagazin“, die beim Saarländischen Rundfunk ausgestrahlt wurden, weitgehend vergessen. Dank Schamoni wird ihm nun späte Ehre erwiesen. Gewisse Parallelen zu den Wort-Komik-Sessions von Schamonis Co-Projekt Studio Braun sind übrigens nicht von der Hand zu weisen:

„Technisch lief die Aufnahme so ab: Jaeger, der sich an seinem von Hand geschriebenen Manuskript orientierte, sprach zunächst die Stimme des Anrufers bzw. der Anruferin über Telefon aufs Band. Anschließend bekam er die Telefonstimme zum „Live-Gespräch“ auf den Kopfhörer gespielt“, erinnert sich der damalige Kabarettredakteur Karl-Heinz Schmieding auf SR-Online. „Jaeger nahm den Auftrag an und sagte zu, bald Demo-Aufnahmen auf Toncassette zu liefern. Allerdings mit Vorbehalt. Es könne durchaus auch passieren, dass er zwischenzeitlich „nach Guatemala auswandern“ werde.“

Im wahren Leben wie im Roman kippt die geniale Gabe Jaegers, den Wahnsinn des Alltags in scheinbar ganz normale Radiosendungen zu verpacken. Jaegers eigene Verwirrung wird zunehmend schlimmer. Nachdem 1977 das neue Radioformat „Spätvorstellung“ startete, tauchte Jaeger wochenlang ab. „Hinzu kamen andere Überraschungen: Einmal sei er, wie er uns später schmunzelnd und in aller Unschuld berichtete, zwar zum vereinbarten Termin mit der Bahn in Saarbrücken angekommen, sei aber dann, der Empfehlung eines Tourismuswerbeplakats folgend, gleich in den nächsten Zug nach Paris umgestiegen. Was wir normalerweise niemandem geglaubt hätten – bei Heino Jaeger sahen wir keinen Grund, dies anzuzweifeln“, erinnert sich Redakteur Schmieding.

Bereits zu Beginn der 1980er kam es bei Jaeger immer häufiger zu Aussetzern. Er konnte seine Sendungen schließlich nicht mehr einspielen, der Kontakt zu den Radioleuten brach ab. Zunehmend verschlechterte sich seine Situation. Zu den psychischen Problemen kam der Alkohol, bis er schließlich dauerhaft in der Klinik landete.

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