Sabrina Carpenter steht wegen eines provokanten Albumcovers in der Kritik. Sagt das mal Carly Simon

Vor fünfzig Jahren wurde Simon auf dem Cover von „Playing Possum“ kniend abgebildet, was einige sehr bekannte Debatten auslöste.

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Fast 25 Jahre bevor Sabrina Carpenter geboren wurde, befand sich Carly Simon in einem Kaufhaus in New York – und war guter Dinge. Sie hatte gerade ihr fünftes Album „Playing Possum“ veröffentlicht, und die freche Single „Attitude Dancing“ war auf dem Weg, ihre Hits „You’re So Vain“, „Haven’t Got Time for the Pain“ und „Anticipation“ im Radio zu begleiten. Dann trat eine Frau auf sie zu, offenbar vertraut mit dem Cover von Playing Possum.

„Sie hatte entweder ein Bild davon gesehen oder kannte jemanden, der das Album hatte“, erinnert sich Simon. „Und sie sagte: ‚Was hast du dir dabei gedacht?‘ Die Stimmen wurden laut.“

Letzte Woche stellte Carpenter das inzwischen berüchtigte Cover ihres kommenden Albums „Man’s Best Friend“ vor – sie kniet am Boden, eine Hand ausgestreckt zu einer Figur im Anzug, die ihr am Haar zieht. Es entbrannten hitzige Diskussionen darüber, ob das Bild kluge, selbstbewusste weibliche Ermächtigung oder schlicht die Ermächtigung des männlichen Blicks darstelle.

Die Debatten sind nicht neu

Doch wie Simon nur zu gut weiß, begann die Darstellung weiblicher Popstars in ähnlichen Posen mit ähnlicher Wirkung nicht erst mit Man’s Best Friend. Bereits 1975 zeigte das Cover von „Playing Possum Carly Simon“ kniend, geheimnisvoll und kämpferisch in schwarzer Negligé und Stiefeln, mit geballten Fäusten, teils verdecktem Gesicht und leicht geöffnetem Mund – fotografiert von Norman Seeff. Im Gegensatz zum vorherigen Album Hotcakes von 1974, das Simon lächelnd und sichtbar schwanger zeigte, war dieses Bild provokant. „Ich dachte mir, wenn das funktioniert, sehen die Leute auch, dass ich meinen Körper zurückhabe“, sagt Simon.

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Doch wie im Fall Carpenter wussten viele Fans und Feministinnen nicht, was sie davon halten sollten – es entbrannten Debatten. Die Kaufhauskette Sears, ein großer LP-Händler, erwog laut Rolling Stone, Simons Album nicht zu führen. Das Konkurrenzmagazin „Crawdaddy“ widmete seine Rezension vollständig der Coveranalyse, nicht der Musik. Das Bild wurde so einprägsam, dass das Negligé später in Simons Ausstellung zur Aufnahme in die Rock & Roll Hall of Fame im Jahr 2022 aufgenommen wurde.

Zufälliger Ursprung eines ikonischen Bildes

Der ironische Hintergrund: Das Cover entstand durch ihre Tochter Sally. Die war wenige Monate alt, als sie mit ihrer Mutter in Bloomingdale’s war. „Ich beugte mich über ein Regal mit Unterwäsche, und sie beugte sich mit“, erzählt Simon. Dabei zog Sally ein schwarzes Negligé in ihre Trage – unbemerkt an der Kasse.

Beim Fotoshooting in Seeffs Studio in L.A. trug Simon dieses Kleidungsstück unter Rock und Bluse. Nach dem Shooting, beim Umziehen, hörte sie Isaac Hayes’ „Theme from Shaft“, rannte hinaus und tanzte spontan dazu. Seeff fotografierte, als sie vom Boden aufstand. „Und genau da entstand das Bild“, sagt Simon. „Es war nicht geplant. Keine Inszenierung.“

Seeff erinnert sich: „Ich sah dieses Bild, Kopf abgeschnitten, Bewegung, geballte Faust – es hatte Energie. Niemand dachte an die Bedeutung. Es war faszinierend, einzigartig, ließ viel Raum für Interpretation.“

Damals wie heute: Reaktionen zwischen Bewunderung und Empörung

Simon war sich anfangs unsicher, erkannte aber bald die künstlerische Wirkung: „In Schwarz-Weiß wirkt es wie ein Kunstfoto, auch wenn es nicht so gemeint war.“ Die ersten Rückmeldungen – von Ehemann James Taylor und Produzent Richard Perry – waren positiv. Auch Joni Mitchell und Graham Nash sahen es auf einer Party. „Jeder reagierte, aber niemand sagte mir wirklich, was er dachte“, so Simon.

Mit Erscheinen des Albums folgten heftigere Reaktionen. Ein Kritiker fragte: „Wie passt das zum Bild der strahlenden, werdenden Mutter vom letzten Cover?“ Ein anderer meinte, ihr fehle nur noch eine Peitsche. Ihre Mutter Andrea Louise Heinemann fragte schockiert: „Carly, Liebling! Was machst du da?“

Fotograf Seeff ergänzt: „Plötzlich riefen Time und Newsweek an: ‚Eines der erotischsten Cover aller Zeiten.‘ Es ging plötzlich nur noch um Interpretation – dabei war es einfach ein schönes Bild. Das Thema half dem Album: Playing Possum wurde Simons drittes Top-10-Album.“

Sabrina Carpenter in guter Gesellschaft

Carpenters Man’s Best Friend ist kein direktes Zitat von „Playing Possum“, doch Simon ist modernen Popstars nicht fremd. Sowohl Carpenter als auch Olivia Rodrigo haben „You’re So Vain“ gecovert, Addison Rae nannte Boys in the Trees kürzlich in einem Interview.

Zum Cover meint Simon: „Sie macht nichts Schockierendes. Das wirkt zahm. Es gab viel gewagtere Cover – Sticky Fingers von den Stones zum Beispiel. Warum also die Aufregung?“

Cover für „Man's Best Friend“ von Sabrina Carpenter
Cover für „Man’s Best Friend“ von Sabrina Carpenter

Neue Musik – neue Wege

Simon hat seit 2009 kein Album veröffentlicht, schreibt aber seit Jahren neue Songs – viele produziert von ihrem Sohn Ben. Unter anderem:

„Howl“, mit Nile Rodgers und Chris Stills – ein kraftvolles Lied über Rache

„Mother of Pearl“, über Tochter Sally

„Do It Anyway“, eine Art Coach-Song

„Pity the Poor Man“, mit Natasha Bedingfield

Ein vertontes Gedicht von W. H. Auden

„Ich habe sie nicht als Album aufgenommen“, sagt Simon. „Wir haben zehn Songs, also genug für ein Album – aber heute veröffentlicht man einzelne Tracks.“

Ein Coverdesign hat sie nicht im Kopf. Und ihren Rat an Carpenter? „Jede Presse ist gute Presse. Und salopp ist sie sicher nicht. Sie ist schön und sollte stolz auf sich sein.“

Ein letzter Gedanke zu Man’s Best Friend: „Das mit dem Knie des Mannes war vielleicht etwas zu viel“, sagt Simon lachend. „Das hätte sie nicht unbedingt machen müssen.“

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David Browne schreibt für den ROLLING STONE USA. Hier geht es zum US-Profil