schlaue schläger: AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD lesen Baudelaire und zertrümmern Gitarren

Neil Busch, Bassist von And You Will Know Us By The Trail Of Dead aus Austin/Texas, sagt: „Rockkonzerte sind eine moderne Variante von rituellen Spielen, die es gibt, seit die Menschen in Gemeinschaften zusammenleben. Ein fester Rahmen, eine Gruppe, ein Anführer – das bestätigt alle, die daran teilnehmen, in ihrem Gefühl von Identität.“ „Wir versuchen, die theatralische Grenze zwischen Bühne und Publikum niederzureißen“, sagt Gitarrist Conrad Keely, und wird von einem Brüllen unterbrochen, das durchs Fenster kommt. „Unser Sänger Jason“, erklärt er, „er praktiziert seine morgendlichen Urschreie.“

Es gilt viel zu beweisen: dass studierte Menschen (auf der Website zeigt die Band Fotos, die sie auf Tour in Museen gemacht hat) gut rocken können, dass die Musik geschmackssicherer klingt als der – angeblich aus einer Ritual-Liturgie der Mayas zitierte – Bandname, dass die zerschlagenen Gitarren und die vielen Lügengeschichten, die die Musiker in Umlauf gesetzt haben (die beste: sie kämen aus Hawaii), nicht nur den Größenwahn einer Knirps-Band dokumentieren. Das konnten Trail Of Dead beweisen, mit dem dritten Album „Source Tarn & Codes“, dem ersten für den Major Interscope, auf dem sie in brachialen, epischen, zuckerverkrusteten Songs Sachen auf den Punkt bringen, die in der Intelligent Punkund Emocore-Szene seit Jahren unsicher verhandelt werden.

Austin, die liberale Oase im konservativen Texas, war der richtige Nährboden. Uni-Abgänger bleiben dort hängen, weil die Musikszene ein so gut durchblutetes Netz ist, sie gehen in halblegerer office weor zur Arbeit, damit sie hinterher ohne Kleiderwechsel zu Konzerten gehen können. Nachts wird gelesen, zum Beispiel Baudelaire: „Im Vorwort zu ‚Die Blumen des Bösen‘ schreibt er sinngemäß, die Welt sei so voller guter und böser Emotionen, dass die schlimmste Verfehlung die innere Teilnahmslosigkeit ist“, sagt Neil Busch. „Baudelaire“ ist einer der Höhepunkte der Platte.

Das jüngste Promo-Konzert in Köln endete (wie erwartet) erst, als ein Großteil der Ausrüstung zerstört war. Wie Keely in den Trümmern des Schlagzeugs saß und zärtlich das letzte Becken schlug – mehr als blinde Wut. „Oft fühlt man sich am Morgen danach depressiv“, sagt Busch, „Adrenalin-Entzug im Hirn.“

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