Schluss mit der Verstärker-Glorifizierung!

Unser Kolumnist Eric Pfeil findet Musiker, die allzu viel Bohai um ihr technisches Gerät machen, eher doof.


Eric Pfeils Poptagebuch, Folge 15

Ab und zu ist es angeraten, ein auf exklusive Mode spezialisiertes Frauenklamottenmagazin zu durchblättern. Nichts verleiht einem dummen Alltagstag etwas so Leichtes und Erhabenes wie in den feinen Seiten einer auf teure Oberflächlichkeit spezialisierten Fachzeitschrift zu schmökern. Man sieht viele schöne Menschen, die ulkige Dinge tun, und oft haben sie auch noch wirklich tolle Sachen an. Eines jedoch erscheint mir sonderbar: Immer noch halten es Fotografen, Stylisten oder wer auch sonst das Ausstaffieren von Foto-Settings zu seinem Aufgabengebiet zählt, für sinnvoll, Models abzulichten, die sich an E-Gitarren und/oder Verstärkern zu schaffen machen. Alleine in dem von mir durchblätterten Objekt fanden sich drei Doppelseiten, die Damen zeigten, die auf Verstärkern saßen oder – sonderbarer noch! – diese Verstärker lasziv umschlangen. Das Herumlungern auf Verstärkern soll wohl so etwas wie Rockigkeit vermitteln. Aber will man das? Ist Rock, sofern nicht von den Queens Of The Stone Age dargeboten, nicht längst als überholtes Konzept enttarnt? Andererseits wollen sich ja auch die viel zu jungen Frauen von alternden Siebziger-Hardrockern irgendwie anziehen, und womöglich sind es ja diese Frauen, die man mit der Verstärker-Werbung zu ködern trachtet?

Als Knabe war ich immer sehr beeindruckt von den Marshall-Verstärkerwänden, die AC/DC aufzufahren wussten. Ich saß im Mathematikunterricht und malte immer wieder unter dem Tisch die AC/DC der Saison ’81/’82 mitsamt ihrer Verstärkerwände und ihrer Lichtanlage in mein Karo-Heft. In diesen Bildern überschnitten sich wohl späte Kindheit und frühe Adoleszenz: süße Erinnerungen! Danach aber fand ich Musiker, die allzu viel Bohai um ihr technisches Gerät machten, eher doof. Bis heute nerven mich Gitarristen, die sich alle paar Songs von ihrem Roadie ein neues Musikinstrument umhängen lassen. Und so sehr ich Wilco mag – ein paar Gitarren weniger täten es manchmal auch. Der wunderbare Robert Forster schrieb hierzu einmal in seinen „Ten Rules of Rock’n’Roll“: „The guitarist who changes guitars on stage after every third number is showing you his guitar collection“.

Wenn sich Musiker mit ihren Gitarren fotografieren lassen, finde ich das durchaus verständlich. Verstärker sind hingegen alberne Requisiten: Auf der uneingestöpselten Gitarre kann der Musikus, während der Fotograf gerade die anderen Requisiten sortiert (Engelsflügel, Puppenköpfe, Tiergedärm), ja immer noch gelangweilt herumschrummen, der Verstärker steht einfach nur dumm rum. Ich rege hiermit an, mal eine Fotogalerie auf die Seiten des Rolling Stone zu stellen: „Unsinnige Verstärker auf Musikerfotos“. Mir fällt da spontan die Rückseite von Marius Müller-Westernhagens Album „Geiler is schon“ ein: Da sitzt der Sänger mit umgehängter Telecaster auf einem sogenannten Flightcase, in dem sich wohl ein Verstärker befinden soll. Verpackte Verstärker auf Fotos sind noch unsinniger als unverpackte.

Vor gut einem Jahr führte ich für ein beiseite gelegtes Buchprojekt ein Interview mit dem Fotograf Jim Rakete, der auch für die Westernhagen-Rückseite verantwortlich zeichnet. Auf das Foto angesprochen rollte der Berliner eine gefühlte Minute mit den Augen und merkte dann an, dass das Foto doch ohnehin alles über den Künstler aussage: „Wer trägt schon Jeans mit Bügelfalte?“ (Notiz: Unbedingt ebenfalls die Fotogalerie „Musiker mit Bügelfaltenjeans“ beim Rolling Stone anregen).

Verstärker, das soll hier abschließend noch mal allen Modefotoheinis entgegengerufen werden, haben ganz und gar nichts Glamouröses. Wer je einen tragen musste, wird das bestätigen. Bei großen Stars machen das ja bekanntlich die Roadies. Unbekannte Musiker hingegen müssen die Dinger selbst schleppen. Problematisch wird die Sache angesichts der zunehmenden Überalterung des Rock-Geschäfts: Da mehr und mehr Achtziger-Indie-Bands, deren Erfolgsvermeidung dauerhaft anhält, in die Jahre kommen, hat man es mit immer mehr alternden Indierock-Rückenproblematikern zu tun. Wünschen wir uns daher gute Osteopathen für Teenage Fanclub und weniger Verstärker-Glorifizierung auf Modefotos! So, Text fertig. Den Rest des Tages werde ich nutzen, um zu überprüfen, ob ich immer noch die AC/DC der Saison ’81/’82 mit Marshall-Wand und Lichtanlage hinbekomme.

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