Schunkeln gegen Nazis

Mit der Initiative Rock gegen rechte Gewalt will Udo Lindenberg wieder einmal Gutes für die erhoffte "Bunte Republik Deutschland" tun

Die Rekordzahl von rechten Gewalttaten habe ihn wieder dazu getrieben, sich „Rock gegen Rechts“ auf die Fahne zu schreiben. Vier Gigs in Dresden, Hamburg, Rostock und Berlin sollten dazu beitragen, rechten Radaubrüdern den korrekten Weg im braunen Nebel zu weisen. „Es ist traurig, dass wir das immer noch machen müssen“, findet Udo Lindenberg. Andererseits: „Ein Jahr noch, dann ist der Mist vorbei!“

Der Hutträger rief, und eine bunt zusammengewürfelte Musikerschar kam, um einmal mehr die „Bunte Republik Deutschland“ auszurufen: Söhne Mannheims, Heinz-Rudolf Kunze, Reamonn, Peter Maffay, Nena, Witt, Scooter, Orange Blue, Jule Neigel und Keimzeit, aber auch Heinz Honig und Ben Becker. Zum Auftakt im ausverkauften Dresdner Schlachthof schunkelten 2200 Aufrechte beim Finale äußerst einfallsreich – zu, Jmagine“. Humoristische Kontrapunkte setzte der zwanghaft unkorrekte Ingo Appek als Moderator, der seine Gutmenschen-Allergie mit gewohnt flachen Kalauern kompensierte: „Ihr seht so schmächtig aus, habt Ihr überhaupt eine Chance gegen Rechte?“, fragte der Möchtegern-Mephistopheles die Vertreter sächsischer Antifa-Initiativen.

„Es ist wichtig, dass der Kampf gegen Gewalt, Ausländerhass und Intoleranz von der ganzen Gesellschaft aufgenommen wird“, hatte Bundestagspräsi Thierse bei der Vorstellung der Initiative gewohnt salbungsvoll getönt. Lindenberg fand da plastischere Worte: „Ich kann es nicht mehr ertragen, was da auf den Straßen an Hetze abgeht Wir wollen ein buntes Deutschland, frei von rechter Gewalt. Wir machen Power! Dreht die Bässe voll auf!“

Die Erlöse der Konzerte sollen in Anti-Rassismusprojekte wie die Amadeu-Antonio-Stiftung oder „Exit“, ein Aussteigerprogramm für rechte Gewalttäter, fließen – was den Mannheimer Sohn Rolf Stahlhofen sofort begeisterte. „Uns hat Udo nicht lang bitten müssen. Wir haben jeden Tag mit den verschiedenen Spielarten von Rassismus zu tun.“ Andere hatten da größere Bauchschmerzen: „Ich musste schon überlegen“, gibt Joachim Witt zu. „Normalerweise lasse ich mich vor keinen politischen Karren spannen, egal in welche Richtung.“ Das Ausmaß der Ausschreitungen aber habe ihn dazu bewegt, „meinen Fans zu zeigen, wie ich dazu menschlich stehe“, so Witt, der mit dem Vorwurf der Deutschtümelei zu kämpfen hat, seit seine Platten „Bayreuth “ heißen.

Die üblichen Verdächtigen, die ganz großen Namen aus der Deutschrock-Dino-Liga wie V&sternhagen, Grönemeyer oder BAP fehlen allerdings auf Lindenbergs Liste: „Wir wollten nicht wieder die alten Kämpen markieren, die allen zeigen, wo’s langgeht“, meint etwa Wolfgang Niedecken, der bis Anfang März auf Mallorca die neue BAP-Platte produziert. „Wir hatten mit Thierse im Sommer auch über eine solche Tour nachgedacht aber mit jüngeren Bands, für die wir eine Art Paten gespielt hätten.“ Dieses Projekt sei daran gescheitert, dass „die maßgeblichen Leute vor allem aus der Hamburger Szene nicht mitmachen wollten. Es ist trotzdem klasse, dass Udo wieder auf den Kreuzzug geht.“ Ein verhältnismäßig bescheidenes Unternehmen ist „Rock gegen rechte Gewalt“ allerdings schon: ’92, zu Zeiten der brennenden Asylbewerberheime, füllten deutsche Popstars noch Festival-Gelände. Die Zeit danach mag das Sendungsbewusstsein gebremst haben. „Wir fühlen uns schon etwas missbraucht“, so Niedecken. „Man konnte in unserem Windschatten wunderbar den Asylkompromiss durchziehen und trotzdem vor der Welt klasse da stehen.“

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