Sieg für Conchita Wurst – So war der Eurovision Song Contest 2014

Die größte Überraschung beim gestrigen ESC gestern war vermutlich, dass die ersten zwei Plätze tatsächlich durch die besten Songs des Wettbewerbs belegt waren.

Für die deutschsprachigen Zuschauer durfte Jan Delay den Abend mit dem eröffnen, was er selbst als „Rock“ betitelt. Nebenbei zeigte der Rapper auch, dass der Weg vom ESC zum Supermarkt kürzer ist als gedacht. Wie in den vergangenen Jahren wurde die Reeperbahn zur Partymeile, wo man die Fernseh-Übertragung aus Kopenhagen genießen konnte. Unterstützung bekam die Hamburger Feier dann nicht nur durch Barbara Schöneberger, sondern auch durch Sido, Michelle, Helene Fischer und Adel Tawil, was einen spontan an „Apocalypse Now“ („The Horror, The Horror“) denken lässt. Und, geben wir es zu: Schlagersänger Adel Tawil ist mit seinen Texten auch nicht so weit vom Indiepop-Musiker Thees Uhlmann entfernt. Somit war das vor dem Eurovision Song Contest gesendete „Wort zum Sonntag“ tatsächlich besser als viele der zuvor gespielten Stücke.

Da war es doch eine Überraschung, dass der ESC selbst angenehmere Stücke präsentierte als die Jahre zuvor. Armenien, die später eine erstaunlich hohe Bewertung bekamen, ließ einen den Wettbewerb nahezu nüchtern ertragen.

Modern klangen die Beiträge dennoch selten: Solange keine Dubstep-Rhythmen eingeflochten werden, liegt die Vermutung nahe, dass es noch ein, zwei, zwanzig Jahre braucht, bis musikalische Trends Einzug erhalten. Schließlich gab es beim ESC zuvor schon Scratching-Samples, die so seit ca. 1998 nicht mehr verwendet wurden.

Für Irritationen sorgte Polen mit einem grenzwertigen Auftritt. Ein wenig Sexismus und Gesang von „Hot Slavic Blood“,  der Misanthrop in mir erwartete so eine höhere Platzierung für das Nachbarland. So bekam die nicht nur mutige, sondern auch gsanglich wunderbare Performance von Österreichs Conchita Wurst lediglich 7 Punkte aus Deutschland – und satte 10 Punkte gingen für die plumpe Schau nach Polen.
Einen weiteren Höhepunkt lieferte Finnland, das die noch recht jungen Softengine mit „Something Better“ schickte. Sympathische Jungspunde, die auf bereits hohem Niveau den Killers nacheifern. Da hätte auch mehr als Platz 11 drin sein dürfen.

Nach Softengine brauchte es dann bis kurz vor Schluss, bis der Musikfan wieder mit guter Kost versorgt wurde: aus Holland. The Common Linnets aus den Niederlanden gaben mit einer unaufgeregten Darbietung einen schönen Neo-Country-Song zum Besten und landeten damit vollkommen zu Recht, wenn auch unerwartet, auf dem zweiten Platz.

Den Abschluss machte dann das Vereinigte Königreich. Und wieder wirkte es so, als hätte das Mutterland des Pop einen geheimen Vertrag unterschrieben, nach dem man nur Songs ins Rennen schicken wolle, die so klingen, als wären sie nicht von Muttersprachlern geschrieben worden. Vielleicht, damit sich die anderen auf Englisch textenden Länder nicht vollends blamieren.

Grundsätzlich besteht auch im Jahr 2014 ein Eurovision-Song aus Text-Platitüden, in denen Gegensatzpaare vereint werden. Mit dieser Technik landete Deutschland auch gar nicht so weit hinten wie angenommen. Für 2015 wäre dann irgendwas in der Art: „Is it right or wrong / I must sing my song / Is it wrong or right / Our future dark or bright?“ ein sicherer Kandidat für einen weiteren Platz im Mittelfeld.

Der politische Konflikt zwischen der Ukraine und Russland spielte auch beim ESC eine Rolle. Bei der Punktevergabe wurde Russland immer wieder ausgebuht. Nicht unbedingt sportlich oder fair, das Verhalten der Zuschauer. Dennoch war es ein angenehmer Contest mit guten Songs, bei dem tatsächlich die zwei besten Stücke vorne lagen – bei dem ein starkes Statement gegen Diskriminierung gemacht wurde. Wer hätte das gedacht?!

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