Sind CRACKER durchgedreht? Warum singen sie über Affen? Und woher kennen sie all die Leute?

Ab und zu darüber nachzudenken, wer die wahren Freunde sind und wo man steht im sozialen Netz, ist eine lehrreiche Sache. Die fünf Mitglieder der Band Cracker haben sich zuletzt vor fünfjahren die Mühe gemacht, am Küchentisch mit Kugelschreiber und Papier, für die Pressemappe der vorvorletzten Platte „“The Golden Age“: Wer hat mit wem gespielt, wer hat wen produziert? Dann entstand ein Diagramm, das fast alle US-Szenen berührt, das über mehr oder weniger große Umwege die Beziehungen zu Beck, Pere Ubu, Lambchop, Jane’s Addiction und zur Country-Schnulzeuse Tanya Tucker dokumentiert. Ein alternativer Stammbaum der amerikanischen Musik, der sich nicht – wie üblich – auf oberflächlich-stilistische Ähnlichkeiten zwischen Rockbands stützt.

Nur ein Gedankenspiel, entschuldigen sich Cracker-Sänger David Lowery und Gitarrist John Hickman, und erläutern trotzdem die letzten Neuzugänge in der imaginären Großfamilie (Isaac Hayes, die Cardigans, Bob Dylan). _Die Telefonnummern habe ich nur von ganz wenigen“, gibt Lowery zu, aber das ändert nichts an der Aussagekraft des Bildes: Selbst Thomas Meinecke aus München hat er selten gesprochen in letzter Zeit, und in dessen Band F.S.K. war der Gi-Sohn Lowery zwischendurch ein nahezu festes Mitglied, hat ihnen tolle Lieder wie „“When It Rains In Texas, It Snows On The Rhine“ geschenkt. Mit Mark Linkous von Sparklehorse (der mal für die Vorgänger-Band Camper Van Beethoven als Roadie gearbeitet hat) hatten die Crackers bei den Sessions zum fünften Album „“Forever“ wieder eine intensivere Zeit, und Linkous lieferte sogar die Idee für den roten Faden. „“Es ist albern“, sagt Lowery, „“aber wir haben zusammen überlegt, wie man den Eindruck erwecken könnte, dass die Band bei den Aufnahmen langsam den Verstand verloren habe, à la Roky Erickson oder Syd Barten. Mark schlug vor, wir sollten in möglichst vielen Stücken etwas über Affen singen. Haben wir gemacht.“

Und die zwei Bandleader finden tatsächlich, dass ihre neue Platte crazy und experimentell ist Oberflächlich gehört! Falsch, Cracker rocken auch dieses Mal behäbig, bewegen sich in Kirschkern-Spuckweite ihrer Folk- und Southern-Rock-Vorbilder, keinen Moment lang so aufregend wie damals Camper Van. Trotzdem bleiben sie eine Band, die sich angenehm abhebt durch Intelligenz, krampflos politisches Bewusstsein und (siehe Diagramm) soziale Kompetenz – der integerste Schweinerock, den es gibt Nebenher betreibt David Lowery mehrere preiswerte Tonstudios und ein Label, während er selbst (in den USA und Australien zumindest) seit 1987 beim Major Virgin unter Vertrag steht: „Ich gehöre zu den dienstältesten Angestellten dort“ Echte Hits haben Cracker ihrer Firma beschert, „Kerosene Hat“ verkaufte sich 1993 eine halbe Million Mal. Seit einer Umstrukturierung ist nun ein Winz-Büro in Milwaukee für sie zuständig, was Lowery und Hickman ganz klasse finden, weil es sich fast so anfühle wie bei einem Indie-Label.

Die unkommerzielle, altersmilde Platte „“Forever“ hält Lowerys Chef sicher auch für ein gewagtes Experiment Und die augenscheinliche HipHop-Verwertung im Sprechgesang-Stück Crackers Soziogramm. Entschuldigen Sie die schlechte Handschrift.

„What „You’re Missing“ hat laut John Hickman seinen wahren Ursprung „“in der Musik von War, einer Band, mit der wir aufgewachsen sind“. Hickman selbst hat gerade Techno entdeckt. Im Kinderzimmer, beim Plattenhören mit dem Sohn.

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