Sommernachtstraum aus der Lederecke

Was Anglistik-Studenten immer schon über Shakespeare wissen wollten, ihre Professoren aber nicht zu fragen wagten, ist jetzt in einem aberwitzigen Potpourri enthüllt worden. In Ralf Königs neuem Comic, Jago“ (rororo) wankt Sir William himself als bisexueller Alk durch das mittelalterliche London, während sich die Schauspieler in schwulen Lederbars die Brustwarzen piercen lassen. König mag Klischees, vor allem, wenn sie mit Schwulen zu tun haben und der ehemalige Schreinerlehrüng aus Soest bedient sie in dieser drastischen und urkomischen Persiflage, wie es ihm gefallt Auf den Comic-Messen dieser Welt ist der 38jährige für seine Geschichten mit den schwulen Knollennasen-Männchen als „bester internationaler Zeichner“ geehrt worden, und die Verfilmung seiner Outing-Komödie vom „Bewegten Mann“ spülte Millionen in die Kinokassen. Doch sein Erfolg hielt Jugendschützer und eifrige Staatsanwälte in Bayern nicht davon ab, gegen den vermeintlich „pornographischen“ Schmuddelkram zu Feld zu ziehen und einige seiner Bücher beschlagnahmen zu lassen.

Du sagst, in Deinen Geschichten gehe es nicht allein um Sex. Warum legst Du dann -um es mit einem Lied von Herbert Grönemeyer zu formulieren so viel Wert auf die Ausstattung des „Fahrgestelb “ der Figuren?

Klar, Sex ist mein Lieblingsthema. Aber eben nicht nur der Sex an sich, sondern alles, was damit zusammenhängt – dieses ganze unglückliche Verlieben, die Verletzungen, all das, womit die Menschen beim Sex auch Streß haben.

Zum Beispiel mit der Länge und dem Durchmesser. In Jago „hat das Othello-Pendant Gron-Zo Granato, wir zitieren, „einen Schwanz, wie eine Pferdewurst“. Geht’s auch weniger dick?

Es gab auch mal die Idee, genau das Gegenteil zu machen. Diesen schwarzen Muskel-Mann also mit einem ganz kleinen Pimmel auszustatten – was alle Tunten dann schrecklich enttäuscht hätte. Aber das kam nicht so gut. Das macht auch nicht so viel Spaß zu zeichnen. So ein dicker Dödel ist doch nicht zu verachten.

Wie erklärst Du dir, daß sich über solche derben Episoden auch Heteromänner amüsieren?

Da gibt es natürlich den Hang zum Vbyeurismus. Man kann in meinen Comics lesen und gucken, wie die Schwulen denn so drauf sind – ohne mit ihnen wirklich Berührung zu haben. Hinzu kommt, daß sich diese offenen Gespräche über Sex von dem unterscheiden, was Heteromänner gewöhnlich untereinander reden. Das hat ja was Befreiendes, auch mal zu lesen, daß man Intimes locker besprechen kann, ohne das Gefühl zu haben, sich vor Freunden zu entblößen.

Wenn derMacho Tom Selleck in dem Hollywood-Film „In And Out“Kevin Ktine auf den Mund küßt, jubelt der Kinosaal. Sind solche Szenen ein Indiz für größere Akzeptanz oder wird da einescheinheilige Toleranz vorgegaukelt?

Ich bin da etwas zwiegespalten. Nach dem Erfolg von „Der bewegte Mann“ gibt es auch fast keine deutsche Komödie mehr, in der nicht irgendein sympathischer Homosexueller mitspielt. Ich kann mir vorstellen, daß diese aufgesetzte Political Correctness den Leuten bald auf den Wecker geht. Andererseits sind solche Kußszenen auch ein Anfang.

Glaubst Du, daß Deine Comics Zu einem besseren Verständnis von Hetero- und Homosexuellen beitragen?

Ich bin stolz, daß meine Comics von vielen Jugendlichen gelesen werden, die nicht schwul sind. Wenn ich es schaffe, daß sie Homosexualität nicht mehr pauschal ablehnen, habe ich schon viel erreicht. Aber das gelingt mir nur im kleinen Rahmen. Auffällig ist, daß zu Signierstunden wenig jungen und viele Mädchen kommen, was mich erstaunt, weil ich Frauen ja nicht besonders vorteilhaft darstelle. Die Jungs stehen eher so machohaft rum, schieben das Heft rüber

und verlangen: Mal mir doch mal ’n schwules Männchen und schreib „Für Gaby“ rein.

Siehst Du es nicht als Gefahr, daß der Durchschnitts-Hetero nach der Lektüre Deiner Comics denkt: Guck mal, da werden mir alle meine Vorurteue über Schwule bestätigt: Tunten kreischen und tragen Glitzerfummel, sie können nicht pfeifen und kernen Fußball spielen?

Aber das alles können ja Schwule nicht, und alles das tun sie! In meinem Freundeskreis können die Jungs nicht pfeifen, und sie wollen auch nicht Fußball spielen. Und es gibt Fummel-Partys. Aber ein wenig kann ich den Vorwurf, ich würde Schwule nur als Leute darstellen, die nichts anderes als Sex im Kopf hätten, verstehen. Aber warum muß ich bei Satire immer erst „Satire, Ausrufungszeichen“ drüberschreiben, bevor man versteht, ah, das ist jetzt komisch. Das ist der komische deutsche MakeL Was soll ich tun? Mein Thema wechseln, nur weil es Menschen gibt, die denken, Schwule sind genauso, wie Ralf König sie zeichnet?

In Bayern hat man für Deinen Humor wenig übrig. Das Landesjugendamt versuchte Deinen Comic „BuUenklöten “ zu indizieren. 1995 wurde J)as Kondom des Grauens“bundesweit beschlagnahmt mit der Begründung, Du würdest Homosexualität unter Minderjährigen als selbstverständlich darstellen und die Heterosexualität diskriminieren. Was ging Dir damals durch den Kopf?

Ich fand es total lustig. Daß ich Heterosexuelle diskriminiere – da laufe ich fast mit stolzgeschwellter Brust durch die Straßen. Nach Jahrtausenden der Schwulen-Vferbrennung können Heteros ruhig etwas Diskriminierung vertragen – wenn ich das denn tue.

Nun wird im „Kotutom des Grauens“ oder auch in „BuUenklöten “ heftig kopuliert. Zensoren nennen das Pornographie. Wie würdest Du es bezeichnen?

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates