Songs statt Diamanten

Country-Sängerin Laura Cantrell sieht sich als Schatzsucherin

Es ist zunächst amüsant, daß Laura Cantrell just in dem Moment zur professionellen Country-Sängerin wird, in dem sie ihre Heimat Nashville verlassen und in New York ein Ostküstenleben begonnen hat. Aber es ist auch symbolträchtig: Auf bislang zwei Alben sang Cantrell Country-Musik, die vor Reinheitsgeboten nicht halt machte und viel New Yorker Lebensgefühl in die Traditionen bugsierte. Die Hardliner haben längst Verdacht geschöpft, andere applaudierten früh: John Peel soll Cantrells Debüt „my favourite record of the last ten years and possibly my life“ genannt haben, Calexico halfen im Studio, Elvis Costello bat ins Vorprogramm.

Die neue Platte macht ihre Wahlheimat nun vollends zum Mittelpunkt: Auf „Humming By The Flowered Vine“ sind fast ausschließlich Lieder von New Yorkern, auch von Cantrell selbst. „Mein Output ist zu klein, um ganze Alben daraus zu machen – ich würde nur alle zehn Jahre etwas rausbringen“, entschuldigt sie sich, „da suche ich mir lieber unveröffentlichte Songs von anderen Leuten. Es gibt allein in New York soviel phantastische Musik, die nie jemand hört!“ Cantrell hört sie trotzdem, weil sie nebenberuflich DJ ist: Beim Stadtsender WKCR spielt sie wöchentlich Country und Angrenzendes, ist eine kompetente Moderatorin, die ihr Metier bestens kennt und die Geschichte des Folk als immer weiter gehendes Gespräch versteht. Auf „Humming…“ wird dieses Wissen sehr plastisch und anrührend, weil Cantrell eine filigrane, glücklich machende Stimme hat, in der sich Country, Honky Tonk und New Yorker Folk wunderbar verbinden.

„Die Leidenschaft für vergessene Songs liegt in der Familie“, lächelt sie, „meine Ururgroßtante hat eine wichtige Folk-Sammlung herausgegeben (Ethel Park Richardson, „American Mountain Music“, 1927). Das schlägt jetzt wieder durch.“ Um der familiären Prägung den nötigen Entwicklungsraum zu geben, hat Cantrell sich mittlerweile durchgerungen, die Musik zur Hauptbeschäftigung zu machen – eine kitzlige Angelegenheit, wenn man nicht mehr 20 ist und weder die Kraft noch die Ressourcen für ein Künstlerleben hat.

„Ich habe gezögert, mein bürgerliches Leben an den Nagel zu hängen, ja. Aber andererseits kann man solche Gelegenheiten ja nicht vorüberziehen lassen.“ Sie grinst. „Ich habe einen Deal mit meinem Mann abgeschlossen, daß er mich für ein paar Jahre aushält und arbeiten geht, während ich Popstar werde.“

Trotz des Bekenntnisses zum unveröffentlichten Material hat es übrigens doch eine Berühmtheit auf die Platte geschafft: „Letters“ schrieb Lucinda Williams Ende der 70er während ihrer New Yorker Phase. „Ein Freund hat das Tape in einem alten Schuhkarton gefunden“, erzählt Cantrell, „wie sich herausstellte, hatte sie selbst die Aufnahme längst vergessen.“ Wieder ein Lied gerettet.

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