Sophia Knapp – Entrückt

Die Sängerin Sophia Knapp legt Tarot-Karten und schreibt traumverwehten Soft-Rock.

Einmal träumte Sophia Knapp, dass sie einen Musiker ihrer Band durch einen New Yorker U-Bahn-Schacht verfolgte und schließlich ordentlich verdrosch – mit einem in Zellophan eingewickelten Stück rohem Fleisch. Am nächsten Tag sagte der Kollege im richtigen Leben eine Bandprobe ab – seine Nase hatte plötzlich und aus unerfindlichen Gründen stark zu bluten begonnen.

Ein anderes Mal sah Knapp ihr neues Apartment vor dem inneren Auge, lange bevor sie es bewohnte. Kurzum: Sophia Knapp scheint das zweite Gesicht zu haben; ihr Freundeskreis glaubt den Träumen der Sängerin und lässt sich bisweilen Tarot-Karten legen.

Ihre vermeintlichen seherischen Fähigkeiten beschreibt Knapp durchaus als Bürde, will ihre Sensibilität für die Dinge hinter den Dingen aber auch nicht missen. „Ich arbeite mit dieser Begabung, sonst arbeitet sie gegen mich“, sagt Knapp. „Ich muss aufpassen, dass ich nicht die Kontrolle verliere – zu viele Informationen, und alles wird matschig. Songs zu schreiben ordnet mich.“ Ihr nun erscheinendes Debütalbum, „Into The Waves“, sei der Soundtrack ihres Lebens und erfülle die Funktion eines Zimmers, das man sich gemütlich einrichtet, um sich zu Hause fühlen zu können.

Den vergeistigten Blick auf die Welt hört man „Into The Waves“ an. Sophia Knapp, die man bisher nur als eine Hälfte des Indie-Ambient-Pop-Duos Cliffie Swan kannte, schafft eine liebreizende Kreuzung aus von 70s-Soft-Rock (Fleetwood Mac), 80s-Discopop (Olivia Newton-John) und Electro-Ambience – die Musik ist wohl weich und traumverweht, aber nicht uferlos; der Foxtrott hält Knapps Album im Diesseits fest. „Ich hatte eine sehr konkrete Vorstellung, wie der Sound sein sollte“, sagt die Künstlerin, „ich wollte eine Pop-Platte, die die Technologie verschiedener Ären verbindet und ein bisschen wie ein Soundtrack klingt.“

Bei zwei Liedern singt Knapps aktueller boyfriend mit – Bill Callahan ist für ihre Mädchenstimme ein toller Gegenpart. Ob sie dem Songschreiber auch schon die Karten gelegt hat, ist indes nicht überliefert.

„Es war emotional schwer, diese Lieder zu singen“, sagt Knapp zum Schluss, „aber das ist nicht wichtig – ich wünsche mir, dass das Album für die Menschen, die es hören, eine heilende Wirkung hat.“ Nicht nur bei Nasenbluten.

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