Start in Richmond

London als historische Landkarte des Rock. ROLLING STONE begab sich auf die Suche nach den Orten, die nicht nur die britische Popgeschichte geprägt haben, sondern auch die Jugend von Pete Townshend und Rod Stewart. Eine Zeitreise von 1962 bis 2012

Ealing Art College

Die Bedeutung der Art Schools für die UK-Popmusik ist immens. Bis zur Aufhebung der Wehrpflicht im Jahre 1961 boten diese Kreativ-Colleges allerlei Schattengestalten und Dropouts eine sichere Bastion vor den rauen Sitten der Armee. Auch später waren die Kunstschulen die Heimat der schrillen Nonkonformisten zwischen Brighton und Glasgow, konnte man auf diesem Wege doch das teure und elitäre Bildungssystem austricksen. Der fächerübergreifende Ansatz führte viele Popmusiker zu Konzeptio-nen und Theorien in der Kunst, die später dann zu Pop wurden. Pete Townshend etwa besuchte das Ealing Art College im Londoner Westen, das Kunst, Mode, Design und Fotografie vermittelt, wo er John Entwistle kennenlernte. Auch Ronnie Wood und später Freddie Mercury näherten sich an der St. Mary’s Road den schönen Künsten.

Crawdaddy

Eine Keimzelle der britischen Popmusik. Eröffnet 1962 im Station Hotel des Vorstadtbahnhofs Richmond und benannt nach einem Song von Bo Diddley, wurde der Club nach ersten Erfolgen der Rolling Stones, die hier mehrmals auftraten, bald überregional bekannt. Rod Stewart sammelte hier seine ersten Bühnenerfahrungen. Schon 1963 wechselte Crawdaddy in den Richmond Athletic Ground, wo er im März 2012 wiederbelebt wurde. Auch Elton John und Led Zeppelin begannen hier ihre Karrieren. Stewart war einst Sänger der Hoochie Coochie Men, dessen Leader, Long John Baldry, seine Karriere förderte. Unser Foto zeigt den jetzigen Betreiber, Mike Rivers (67), der einige Exemplare des nach dem Club benannten US-Rockmagazins in der Hand hält.

Finsbury Astoria

Die Kinokette Astoria Theatres eröffnete im September 1930 im Norden Londons eines der größten Kinos der Welt. Bis 1971 wurden in dem Gebäude mit 3.400 Sitzplätzen Filme gezeigt. Die Musikhistorie des Finsbury Astoria begann in den Sechzigern, auch der junge Rod Stewart sah hier einige Bands spielen. Am 4. November 1971 wurde der Kinopalast in das später legendäre Rainbow Theatre umgewandelt. Der Eröffnungs-abend gehörte The Who, die kurz zuvor „Who’s Next“ veröffentlicht hatten. In Punk-Tagen gastierten hier The Ramones, später dann Metaller wie Iron Maiden. Kurz nach den Dreharbeiten zum New-Wave-Film „Breaking Glass“, dessen letzte Szene hier spielt, schloss das Theater am Heiligen Abend 1981. Heute beherbergt die Venue eine Freikirche, die sich The Universal Church of the Kindom of God nennt. Wow, was für ein Name …

100 Club

Einer der ältesten Clubs der Insel. Der Kellerladen an der Oxford Street konnte in diesem Jahr seinen 7o. Geburtstag feiern. 1942 begann der Club als Restaurant Macks und lag unter deutschem V1-Beschuss. Nach dem Krieg begann hier eine längere Jazz- und Swing-Ära, die von Posaunenlegende Chris Barber entscheidend mitgeprägt wurde. In den Sechzigern erfolgte der Stilwechsel zum Rhythm & Blues und dann zum Rock. Sowohl The Who als auch Steampacket mit Julie Driscoll und Rod Stewart spielten hier. 1976 dann ein weiterer Bruch: Ein Punkfestival läutete den „Anarchy“-Sommer mit Buzzcocks, The Clash, The Damned und natürlich den Sex Pistols ein. Bis heute hat sich der 100 Club immer wieder neu erfunden. Die drohende Umwandlung in einen Klamottenladen konnte 2010 verhindert werden.

Bar Italia

Es gibt wohl keinen britischen Popstar, der in dieser italienischen Stehbar in der Frith Street in Soho nicht schon einen Espresso gezischt hat. Der Roman „Absolute Beginners“ von Colin MacInnes gibt die fiebrige Stimmung im Londoner Westend von 1959 wieder, das gemeinhin als Inkubationsjahr der britischen Popkultur gilt. Eine Zeit, in der die späteren Mods noch in den wenigen Nachtclubs als Modernists zu Jazz-Rhythmen tanzten und tagsüber im „Paris Match“ herumblätterten. In den frühen Siebzigern übernahmen Antonio „Anthony“ Polledri und sein Bruder Luigi das Lokal von ihren Eltern. Mit den schwarz-weißen Boxerfotos und den von der Decke baumelnden Parma-Schinken erinnert die Einrichtung an einen Mafiafilm. Eine lebende Legende, auch wenn die heutige Bar Italia aufgrund ihrer Lage touristisch infiltriert ist.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates