Stubenstürmer

Erinnerungen an die 90er: Wie die Band Huah! den Hamburger Gitarren-Pop auf die Welt brachte

Als Gruft-Punk-Rockabilly-Truppe war die Band Huah! 1983 in Dithmarschen gestartet, zog Ende der 8oer nach Hamburg und war dort zur richtigen Zeit am heißen Kern eines großen Musik-Umbruchs: Aus der sprichwörtlichen „Hamburger Schule“ entwickelte sich der deutsche Gitarren-Pop, der heute auch m Teenie-Zimmern läuft. Jetzt werden die zwei Huah!-Alben wiederveröffentlicht – aus diesem Anlaß kommentiert Sänger Knarf Rellöm die wichtigsten Band-Stationen.

„Das Foto oben ist aus einer Story der Zeitschrift .Tempo‘ über ‚Stubenhockerbands‘: einsame Jungs, die am Fenster sitzen und vor sich hin träumen. Ich sagte dem Autor Christian Kracht, Huah! entsprächen doch gar nicht diesem Bild. Aber er hatte seine Geschichte schon im Kopf und schrieb einen pathetischen Artikel. Ich sitze da alleine bei den drei Mädels, weil unser Gitarrist keine Zeit hatte. Ein gutes Statement gegen die unangenehme Männerdominanz im Rock: Campino wurde zu der Zeit von einer CDU-Familienministerin sprachlos gemacht mit dem Satz: .Warum spielen bei den Toten Hosen eigentlich keine Frauen mit? Da wußte der politisch Korrekte nicht mehr weiter. Ich habe immer mit Frauen Musik gemacht, und es ist mir wichtig.“

Cover „was machen Huah! jetzt?“, 1990

,Auf dem Debütalbum sieht man uns Autos knacken. Von der Musik können wir nicht leben, sollte das heißen, wir gehen .realeren‘ Berufen nach. Der Schweizer Musiker und Zeichner Chrigl Farner hat jetzt für die Wiederveröffentlichung das Originalmotiv gecovert, uns Musiker aber als Enten gemalt. In den Spiegeln sieht man noch die echten Gesichter. Chrigl hat sich auch das Cover des zweiten Albums .Scheiß Kapitalismus‘ vorgenommen, das demnächst wiederveröffentlicht wird. Dafür spielen wir sogar einen neuen Song ein.“

Cover „scheiß Kapitalismus“, 1992

„Das Cover des zweiten Albums ist im Original von Erwin Ross. Eine St.-Pauli-Berühmtheit, ein Maler der für den Kiez so typischen altmodischen Pin-up-Bilder, die man auf der Reeperbahn sieht. So eins wollten wir auch. Also gab ich ihm den Auftrag, eine Frau zu malen, mit dem Schriftzug .Scheiß Kapitalismus‘ und ,Huah!‘ an der Seite. Zwei Wochen später kam ich, um das 1,50 mal 1,50 Meter große Gemälde abzuholen. Das Bild war zwar fertig, aber Ross hatte ‚Scheiß Sozialismus‘ druntergeschrieben.“

Konzert in der Fabrik Hamburg, 1990

„Die Stammbesetzung: Claudia Bollig am Schlagzeug (nicht im Bild), Sonny Motor an der Gitarre (l.) und ich am Baß. Nixe und Bernadette Hengst waren Teilzeitmitglieder, die auch mit den Mobylettes und Die Braut haut ins Auge spielten. Nur mit den beiden waren wir wirklich gut die Chöre waren unser Trumpf. ,Scheiß Kapitalismus‘ markierte dann das Ende der Band und das Ende meiner Beziehung zu Bernadette. Deshalb ist das Album eine Liebeskummer-Platte geworden. Da hatten sich ganz schöne Spannungen aufgebaut…“

PK „Scheiß auf fette Gitarren/Deutschland, halt’s Maul“, 1991

„Diese Pressekonferenz haben wir nie wirklich gegeben. Dafür ist das Foto aufgeladen mit Zeichen: Die Karte im Hintergrund symbolisiert den Anspruch auf die Welt. Das hat etwas von der Ästhetik der 68er, ist aber auch eine Referenz an Public Enemy. Die Ereignisse um die Wiedervereinigung haben uns damals überrollt. Kolossale Jugend reagierten mit einem ‚Deutschland, halt’s Maul!‘-T-Shirt. Unter demselben Namen organisierte Jochen Distelmeyer eine ganze Reihe von politischen Veranstaltungen. Nach Rostock-Lichtenhagen und all dieser Nazi-Scheiße konnte man als Band nicht einfach weitermachen wie davor. Das beste Beispiel dafür sind meine Freunde von den Goldenen Zitronen, die sich von einer Bier-Fun-Punk-Band zu einer politischen Band entwickelten. Es ergibt keinen Sinn, sich auf Liebeslieder zu beschränken, wenn in der Welt so viel passiert. Eben habe ich mich an dem Buch-CD-Projekt ,’I Can’t Relax In Deutschland‘ beteiligt, das den ,Halt’s Maul, Deutschland‘ Ansatz wieder aufnimmt.“

Promotion-Postkarte, 1992

„Eine Reaktion auf den Rummel um die Hamburger Schule, der damals ziemlich nervte. Was war denn so ähnlich an Blumfeld, Huah! und Kolossale Jugend? Deshalb hatten wir die Idee, unsere Musik .Twingel Twangel Beat‘ zu nennen. Wir wollten lieber mit Naiv-Pop-Bands assoziiert werden, als ewig in dieser Schublade zu bleiben. Ironischerweise führte aber genau das zum einzigen Auftritt der Hamburger Schule in der ,Bravo‘. 1992 gab es dort eine Geschichte über ,Die neuen Twingel-Twangel-Beat-Wunder aus Hamburg‘, mit Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, Huah! und Blumfeld.“

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates