Tanz auf dem Tisch

ICH MEINE DAS EHRLICH“, beteuert Isabelle Geffroy alias Zaz. Gemeint ist ihre aufrichtige Liebe zum deutschen „Traumpublikum“, wie sie es begeistert nennt, während sie mehr neugierig als aufgeregt mit ihrem Stuhl kippelt und ihre Blicke durch den Raum huschen, als befänden wir uns in einem Vergnügungspark und jede Sekunde könnte ihre Lieblingsattraktion beginnen. Ihre Fans würden vor allem ihre Persönlichkeit schätzen, das sei im Prinzip ihr Erfolgsgeheimnis. Und das gehorcht nicht den Regeln des Chanson-Betriebs: Zaz kokettiert nicht, macht nicht auf Diva, wirkt manchmal ziemlich burschikos. Vielleicht erklärt diese Mischung aus Niedlichkeit und Trotz, aus „Die fabelhafte Welt der Amélie“ und Pippi Langstrumpf ja auch ihre Beliebtheit hierzulande.

Auf ihrem zweiten Album, „Recto Verso“, hat die fabelhafte Welt der Isabelle jedoch ein paar Risse bekommen. Gleich in mehreren Songs streckt sie ihren Kritikern die Zunge raus. „Ich habe im Vorfeld viele Ratschläge bekommen, wie ich musikalisch weitermachen soll. Ich habe mir das eine Weile angehört und dann entschieden, nur auf mich selbst zu hören. Und mich plagen keine Schuldgefühle, ich stehe zu meiner Entscheidung“, sagt sie vielleicht eine Spur zu energisch.

Für Zaz kam der Durchbruch zwar nicht aus dem Nichts, aber überrascht hat sie die Dimension, die das Ganze im Jahr 2011 annahm, doch. Überall lief ihr Hit „Je veux“. Plötzlich fand sie sich auf Tourneen rund um den Globus wieder, fror in Sibirien, schwitzte in Ägypten. In Lateinamerika, wo sie in kolumbianischen Salzminen Gratis-Konzerte veranstaltete, verfolgten sie Paparazzi. Ein wilder Tanz auf dem Tisch. Aber Zaz hat einen Sturkopf, kann dem Druck standhalten. „Ich will nicht ständig erklären müssen, warum ich so bin, wie ich bin“, zischt sie theatralisch, „akzeptiert das!“

Geboren und aufgewachsen in Tours im zentralfranzösischen Département Indre-et-Loire, erlernte sie am Konservatorium Violine, Klavier und Gitarre. Obwohl Zaz im elterlichen Heim eher unterfordert blieb. „Musik gab es bei uns selten, und wenn, meistens klassische.

Erst mit 20 habe ich Leute wie Ella Fitzgerald und Richard Bona für mich entdeckt“, gesteht sie. Jazz und Weltmusik. Zaz bricht mit dem Klischee der Tochter aus bourgeoisem Hause, indem sie gern ein wenig Esoterik in ihre Lieder streut, sich naturverbunden gibt und von Wäldern und Feldern erzählt, die sie als Kind durchkämmte.

In die Städte musste sie dennoch, zuerst für ein Stipendium in Bordeaux am CIAM, einer Schule für zeitgenössische Musik, und als Sängerin einer Latin-Rockband, später nach Paris als Ensemble-Mitglied in einem Cabaret und Straßenmusikerin im Künstlerviertel Montmartre. In „Toujours“, einem ihrer neuen Songs, zeichnet sie ihren Weg als Mädchen, das durch wilde Gräser streift, mit Käfern und Kaninchen spielt und sich nicht verbiegen lässt, von der unbarmherzigen Zeit, die sie in einem Gewirr aus Koffern, Terminen, U-Bahnen und den „Bordsteigen einer anderen Welt“ zu erschlagen droht. „Ich liebe die Stadt, aber ich brauche die Intuition und die Verbindung zur Erde“, sagt sie mit funkelnden Augen, als wolle sie gleich zu einer Expedition aufbrechen. So wie voriges Jahr, als sie mit einer kleinen Band den Montblanc erklomm, um auf dem Gipfel eine kleine Unplugged-Show zu geben. Oder als wäre sie mit 33 immer noch das unschuldige, durch Felder hüpfende Mädchen.

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