The Pretty Things auf Deutschlandtour!

Joachim Hentschel sprach mit den Mitgliedern der Pretty Things über die Rolling Stones und die anstehende Tour, die sie ab heute auch durch Deutschland führt.

Die Rolling Stones waren ihr Schicksal, im Guten wie im Bösen. Am Anfang zumindest. Dick Taylor, Gitarrist der Pretty Things, hatte 1961 mit seinem alten Schulfreund Mick Jagger sogar seine überhaupt allererste Band gestartet. Und war als Bassist in die frühe Beatclub-Besetzung der Stones hineingerutscht. Als der kunstbegeisterte 19-Jährige dann aber von der London Central School Of Art angenommen wurde, überlegte er keine Sekunde: Schluss mit der Musik, Studieren.

„Irgendwann engagierten wir die Stones dann für einen Schulball“, erzählt Taylor heute von seinem erneuten Sinneswandel, „und waren völlig verdattert, wieviel Gage die dafür bekamen: 25 Pfund. Da dachten wir uns, vielleicht kann man mit Rock’n’Roll ja doch Geld verdienen.“

Wir – das waren er und sein Mitstudent Phil May, und aus der erst mal sehr profan klingenden Geschäftsidee wurde tatsächlich eine der größten, interessantesten und durchhaltefähigsten Gruppen der Sixties. Die Pretty Things werden heute oft als eine der „besten Bands, die niemand kennt“ bezeichnet, was wohl daran liegt, dass sie niemals große Hits und Gassenhauer hatten. Umso weniger vorbelastet und Oldieradio-genervt können sie heute immer noch durch die Clubs touren, wie in dieser Woche in Deutschland. Und Nachgeborenen zumindest eine Ahnung davon geben, wie es in den 60er-Jahren in Londoner Rhythm’n’Blues-Schuppen wie dem Marquee oder 100 Club zuging.

Ihr unique selling point war damals, die härteste Band der Szene zu sein – härter, langhaariger und unflätiger als die Stones wohlgemerkt. Auf dem Schulhof musste man sich entscheiden, zu wem man hielt. Angeblich ging die Konkurrenz sogar so weit, dass Stones-Manager Andrew Loog Oldham der Redaktion der BBC-Musikshow „Ready, Steady, Go“ einen Unterhändler vorbeischickte. „Er stellte sie vor die Wahl: Entweder ihr ignoriert die Pretty Things – oder die Stones kommen nie wieder zu euch“, berichtet Sänger Phil May, was ihm ein guter Freund heimlich verriet. Die Redakteure gaben nach. Zugunsten der Stones natürlich.

Der Einfluss der Band ist trotzdem noch zu spüren. Erst kürzlich bezeugte Sergio Pizzorno von Kasabian, ein Pretty-Things-Album habe ihm damals überhaupt erst die Augen geöffnet, welche Frei- und Verrücktheiten eine Band sich herausnehmen könne – entscheidend für das Credo seiner eigenen Gruppe. Die besagte Platte ist „SF Sorrow“, das legendäre psychedelische Konzeptalbum von 1968, angeblich das erste seiner Art in der Rockgeschichte. May und Taylor selbst haben kürzlich das Werk in einer Deluxe-Ausgabe wiederveröffentlicht. In einem langwierigen Rechtsstreit mit der EMI konnten sie 1993 tatsächlich das Recht an ihren alten Masterbändern zurückgewinnen.

Was den Konzertbesucher heute bei einer Pretty-Things-Show erwartet? Große alte Heuler der Rhythm’n’Blues-History, die wolfwilden Singles der Frühzeit, die nach Drogen duftenden Songs der ganz bunten Spätsechziger-Frühsiebziger-Phase. Ab und zu auch ein neueres Stück, denn reine Memory-Maschinen sind Taylor und May mit Ende 60 noch lange nicht. Die Maracas schüttelt der Sänger noch immer so angriffslustig wie 1964, und wenn man ihn fragt, ob er je geglaubt hätte, dass er mit 67 noch auf der Bühne stehen würde, sagt er nur: „Es gab eine Zeit, da konnte ich mir nicht mal vorstellen, 30 zu werden.“

„They’ll soon forget the field in which you lie“, sangen die Pretty Things vor 44 Jahren in „Old Man Going“, einem der Schlusstracks von „SF Sorrow“. Dass man sie so bald noch nicht vergessen wird, stellen sie sicher: Sie kommen vorbei. So laut wie damals.

The Pretty Things auf Tour in Deutschland mit Savoy Brown:

2.5. Ingolstadt, 3.5. Frankfurt (ohne Savoy Brown), 4.6. Wuppertal, 6.6. Berlin

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