Träume von der Besiedlung fremder Planeten unter der Sonne von Los Angeles: Frank Black betreibt „The Cult Of Ray“

Black Francis liebte es destruktiv. Mit seiner Band, den Pixies, hackte er Ende der 80er Jahre die Rockmusik in Stücke, und wenn er manchmal zögerlich begann, sie wieder zusammenzusetzen, grinste er dazu wie der TeufeL In puncto Gruppendynamik soll Stalin sein Vorbild gewesen sein: Er erzählte gern, wozu er die Band jetzt wieder einmal „zwingen mußte“. Und dann machten die Pixies, in der Punk-Stadt Boston zuhause, Musik wie ein Erdbeben. Später meinte Kurt Cobain, sie hätten seinen Sinn für Dynamik überhaupt erst geschult.

Ab und zu erzählt auch Frank Black von den Taten seines früheren Alter Egos Black Francis. Aber im Gegensatz zu den meisten Fans und Kritikern will er an diese Legende nicht so recht glauben. „Die Pixies waren Dilettanten“, meint er mit wegwerfender Geste. „Wir waren ganz schön prätentiös und haben unser mangelndes Können mit großen Effekten überspielt.“ Aber gerade daraus entsteht doch große Popmusik!

,Ja, meinst Du? Ich bin jedenfalls froh, daß ich seitdem wesentlich weitergekommen bin.“ Dann folgt ein Grinsen. Aber ein sanftes, ausgeglichenes. Man sollte es vielleicht schon Lächeln nennen.

Frank Black hockt im Autositz wie Buddha. Wir fahren durch Los Angeles – und obwohl der Kalender auf der Angabe „Dezember“ besteht, besteht das Thermometer auf der Angabe „22 Grad“. Black drückt eine Easy-Listening-Cassette in den Recorder, quetscht sich eine Sonnenbrille auf den Kopf und kurbelt die Scheibe herunter. What a day.

Aber kommen wir einmal zu den Fakten, Fakten, Fakten. Mit „The Cult Of Ray“ hat Frank Black gerade sein drittes Solo-Album veröffentlicht – im Vergleich zu dem 22-Song-Monster „Teenager Of The Kar“ das Ergebnis einer Verschlankung: 13 Stücke, alle erstmals von ihm selbst produziert. Black hat den Höhepunkt seiner künstlerischen Kontrolle erreicht, keiner steht ihm mehr im Weg, nicht mal er selbst. Der Kampf ist vorbei. „Meine Zufriedenheit hat viel damit zu tun, daß ich jetzt 30 bin“, murmelt Frank Black. „Und die Pixies-Musik verbinde ich mit meinen Zwanzigern – einer Zeit, in der es mir meistens schlecht ging. Persönlich, aber auch in der Band. Daß ich mich als Diktator aufgeführt habe, ist natürlich nur zum Teil wahr. Und wenn, hatte es vor allem damit zu tun, daß ich damals nicht mir im Reinen war.“ Seit fünf Jahren wohnt Frank Black wieder in Los Angeles, der Stadt, in der er aufgewachsen ist. Seitdem wird seine Musik von synthetischem Geist durchdrungen: als ob nun die Sonne zusammenschweißte, was die Pixies getrennt haben. Auf seinem ersten Solo-Album hat Black einen verschütteten Beach Boys-Song ausgegraben: „Hang On To Your Ego“, eine frühe Fassung des auf „Pet Sounds“ veröffentlichten Stücks „I Know There’s An Answer“. Diese Cover-Version durfte man in doppelter Hinsicht als programmatisch verstehen: Ein Ego machte sich frei von einer Band, die es behinderte. Es nannte sich Frank Black, bewegte sich weg vom Punk und hin zu den romantischen Konzepten der 60er Jahre.

Die Easy-Listening-Cassette ist durch, Frank will jetzt was Schweres hören und dreht am Knopf seines Autoradios. Sekunden später dröhnt etwas heraus, das nach Smashing Pumpkins klingt Der Fahrer macht einen kurzen Anlauf, sich über „den neuen Stadion-Rock“, der sich heutzutage Grunge nenne, aufzuregen, hält aber dann inne: Jeder soll doch machen, was er machen wilL“ Und überhaupt Rockmusik sei ja letztlich „nur Entertainment“.

Dabei ist der befremdete Blick, den Black Francis einst auf die Welt warf, durchaus noch da. Auf die Frage nach politischer Korrektheit erklärt Black, er habe im Song „The Cult Of Ray“ ein brisantes politisches Thema angepackt. Bosnien? Rassismus? „Nein, die künftige Besiedlung fremder Planeten.“ Die was?

„Wenn das technisch möglich ist, wird das ein echtes Politikum werden. Wer darf ins All ziehen und wer nicht?“ „The Cult Of Ray“ ist SF-Veteran Ray Bradbury gewidmet. Black geht regelmäßig zu dessen Lesungen in einer Bibliothek in Los Angeles. „Ich habe seine Bücher mein ganzes Leben lang gelesen. Heute repräsentiert er für mich so etwas wie Weisheit.“ Frank Black sieht Rock’n’Roll als Sandburg, die ihm gehört und mit der er alles machen kann. Ob er sie pflegt oder abreißt, entscheidet er ganz allein. Hang on to your ego.

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