Und alle jetzt so Österreich oder Normcore-Posen in der Fastenzeit

Als sich mein österreichischer Zahnarzt neulich in einen meiner Wurzelkanäle versenkte, fragte mich der stets kommunikationsfreudige Dentist, vom Jaulen seines Werkzeugs nur gelinde übertönt: „Wos song’s äigenllich zu Wanda, Hear Pfäill?“


Folge 77

Hurra, endlich wieder Fastenzeit!

Darauf erstmal einen doppelten … Ach nee.

Wer glaubte, diesem fulminanten Einstieg folge eine nicht minder fulminante Abhandlung zum Thema „Rock und Askese“, wird sich leider wieder enttäuscht hinter der Karaffe mit dem Entschlackungstee verkrümeln müssen. Zum Thema „Populärmusik und Rauschmittelverzicht“ fällt mir nämlich leider gar nichts ein. Höchstens Frank Zappa. Und zu Frank Zappa ist mir sowieso noch nie besonders viel eingefallen, weswegen meine Teilnahme an zahlreichen Frank-Zappa-Kongressen für viele Besucher zu den Tiefpunkten dieser Kongresse zählt. Darum rasch zu etwas anderem …

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Als sich mein österreichischer Zahnarzt neulich in einen meiner Wurzelkanäle versenkte, fragte mich der stets kommunikationsfreudige Dentist, vom Jaulen seines Werkzeugs nur gelinde übertönt: „Wos song’s äigenllich zu Wanda, Hear Pfäill?“

„Tja, wissen Sie“, gab ich zur Antwort, „die Betrachtung dieser Wiener Pubrock-Band scheint ja erstaunlicherweise nur zwei Fraktionen zuzulassen: Entweder man befindet sich im Verein derer, die meinen, dass die Musiker da auf voller Albumlänge etwas hinbekommen haben, wozu es den deutschen Kollegen einfach an Schmäh und Angstlosigkeit gebricht, und dass es sich bei Wanda wohl um so etwas wie die Zukunft der Rückkehr des Kneipenrock im Stadion o.ä. handelt. Oder man gehört dem Club derer an, die „Bologna“ für eine veritable Hymne halten, die Band ansonsten aber als fade Zukunft der Rückkehr des Kneipenrock im Stadion o.ä. abtun. Ich nun habe einen dritten Verein aufgemacht, dem jeder, der noch etwas für jene gute alte Tugend namens Unentschlossenheit übrig hat, gerne beitreten darf. Ich weiß es nämlich ganz ehrlich einfach nicht, keine Ahnung. Mal so, mal so. Aber ich höre sowieso lieber die alten Wolfgang-Ambros-Platten. Am liebsten mag ich ja das „Selbstbewusst“-Album und „Der letzte Tanz“ von 1983. Aber auch das Album mit „Zentralfriedhof“ drauf ist …

„Ja ja, des hoam’s schon öfta g’sogt“, unterbrach mich der Mundbeschutzte und versenkte sich wieder in seine blutige Arbeit.

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Österreich ist ja gerade schwer in Mode. Also popmusikalisch jetzt. Überall werden in Schallplattenfachhandlungen Österreich-Fächer eingerichtet, die sich schneller füllen als die Tagebücher überambitionierter Germanistik-Studentinnen. Es wurden auch schon in Berlin junge Bartträger in Normcore-Klamotten gesichtet, die miteinander in nachgeäfftem Österreichisch palaverten und alles dauernd „leiwand“ fanden. Auf derlei Tun liegt freilich kein Segen. Vielmehr sollte man die eigene Mundart wieder mehr erforschen. Ich beispielsweise werde in den nächsten Wochen ein Kölschrock-Revival anzetteln, das sich gewaschen hat. Überall werde ich nur noch Kölner Sozialarbeitermusik der 80er auflegen. Dass ich mich dabei aus allen Szene-Kontexten katapultieren werde und künftig nie mehr irgendwo die heißesten Platten der letzten 37 Jahre auflisten darf, ist mir dabei schnurzer als Frank Zappa! Denn hier geht es um keine Mode, sondern um eine Mission. Ich werde nur noch Verbündete und Feinde kennen! Sollen sie doch ruhig alle mit dem Finger auf mich zeigen! Einfach mal alles auf eine Karte gesetzt und den Kahn ganz weit auf den Tümpel geschoben! Sie werden noch von mir hören …

(Abgang unter irrem Lachen)

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So, da bin ich wieder.

Wussten Sie eigentlich, woher sich das Wort „leiwand“ (österreichisch für: super, dufte, endknorke, massiv abgeilend) ableitet? Ich sag’s Ihnen einfach noch einmal: Es hat – war ja klar! – wie fast alles auf der Welt mit Bier zu tun. Im 15. Jahrhundert bekam die Hauptaustragungstätte des Wiener Leinenhandels, das Wiener Bürgerspital, das Braurecht zugesprochen. Nun muss man sich den Leinenhandel jener Tage als eine ausgesprochen fidele Angelegenheit vorstellen: Es ging hoch her, man feilschte und stritt, es war ein einziges Tohuwabohu. Somit drängte es sich also geradezu auf, den hitzig Handeltreiben Bier anzubieten. Man installierte also im Leinwandhaus eine Bierschenke und ließ „Leinwandbier“ in Kelche und Kehlen rinnen.

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Wo wir schon bei Österreich sind, möchte ich die Gelegenheit ergreifen und meinen Bierkrug auf eine ganz andere Band aus dem Heimatland der Leiwandness erheben. Die Rede ist vom oberösterreichischen Duo Attwenger, das die Welt bereits seit 1990 mit hochgradig eigensinniger Musik beglückt. Dieser Tage erscheint ein neues Album titels „Spot“. Ein Meisterwerk der Beschränkung, finden sich doch ausschließlich Stücke mit einer Länge von zwei Minuten plus sowie diverse instrumentale Jingles auf dem Album. Da ich seit jeher eine Schwäche für Tanzvideos habe, sei besonders auf den neuen Clip „Oida“ hingewiesen: ein One-Take-Video, in dem ein Gentleman mit dem anbetungswürdigen Namen P.E. Finzi den Inhalt des Liedes tänzerisch veranschaulicht. Wer alles über die Möglichkeiten männlichen Ausdruckstanzes im Jahr 2015 wissen will, kommt an dem Video eigentlich nicht vorbei. Ein Spitzenclip. Viel besser noch als Wiener Bier!

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