Unheimliche Träume

DASS EMILY WELLS IHR neues Album lieber nicht eine break-up record nennen möchte, kann man verstehen -das ist ein triviales Etikett geworden, auch wenn es auf einigen wundervollen Platten klebt. Sagen wir lieber: Auf „Mama“ verarbeitet die USamerikanische Sängerin und Multiinstrumentalistin das schmerzhafte Ende einer langen Beziehung. Wells singt von Wut, Trauer und Schuld, aber auch von Luft in den Lungen und der Idee eines Neuanfangs.

Bislang kannte man Emily Wells für eine spannende Mixtur aus klassisch anmutender Geigenmusik (die Geige ist ihr Hauptinstrument) und HipHop. Das 2008 erschienene Album „The Symphonies: Dreams Memories & Parties“ hat eine klare Architektur aus Violinenkompositionen, über die Wells zu Lo-Fi-Beats singt und rappt. Auch auf „Mama“ spielt die Geige eine wichtige Rolle, doch sie tritt in den Hintergrund. Wells spielt mehr Instrumente als bislang und schafft einen weiten, verwaschen lehmfarbenen Klang, hinter dem die mehrfach gestapelten Gesänge, Geigen und Synthesizer seufzend auf-und abschwellen. „Ich verstehe, dass die Leute gerne möchten, dass man wiederholt, was sie an dir schätzen gelernt haben. Mir geht es ja nicht anders mit Künstlern, die ich mag. Aber ich kann ja deshalb nicht aufhören, weiter zu forschen und Sachen auszuprobieren! Es kann passieren, dass man das Bild, das andere von einem haben, übernimmt; das kann gefährlich sein“, erklärt die Künstlerin.

Ihre neue Musik erschuf Wells in einer selbst verordneten Isolation. Auf einer Pferde-Ranch am Rand von Los Angeles zog sie sich mit einigen Instrumenten und Aufnahmegeräten in eine Hütte zurück und begann, Songs zu schreiben. „Die ganze Umgebung war auf eine wunderschöne Art unheimlich – ich sah oft tagelang keinen einzigen Menschen. Ich hatte dort sehr intensive Träume, die irgendwie in die Musik gekrochen sind. Nicht so, dass ich einen Traum nacherzähle Eher so, dass ich mich plötzlich an etwas aus dem Traum erinnerte -just dreamy little moments of light.“

Das Traumhafte, Lichterne steckt tief in Wells‘ inwendigen, mutigen Liedern, die man auf einer dem Album beigelegten zweiten CD zudem in nackten akustischen Versionen hören kann. „Ich kam mir vor wie ein Teenager, der in seinem Zimmer sitzt und versucht, Lieder auf der Gitarre nachzuspielen“, erinnert sie sich an die Neuaufnahmen, „sie veränderten sich manchmal grundlegend – total spannend!“

Spannend ist auch, dass Emily Wells den zentralen Song für den Psycho-Thriller „Stoker“(mit Nicole Kidman) des südkoreanischen Regisseurs Park Chan-wook schreiben durfte und ihre Musik darüber eine breitere Öffentlichkeit erreichte. Der Film ist stellenweise ziemlich blutig, was Wells jedoch nicht abschreckte. „Ich habe mir die schlimmen Szenen wieder und wieder angesehen, um mich in die Charaktere hineinzufühlen und die passende Musik zu finden.“

Hoffentlich träumt sie jetzt nicht schlecht.

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