Untergang, Baby

Die New Yorker Band TV On The Radio setzt zum großen Wurf an und beschwört die Apokalypse

Es ist schwer, der Musik von TV On The Radio einen Ort zuzuweisen, wenn man sie zum ersten Mal hört. Ihr Album „Desperate Youth, Blood Thirsty Babea“ von 2004 hatte Soul und Pharoah-Sanders-Saxofon, Doo-Wop und Psychedelia, Funk und den guten alten Indie-Rock a la Modest Mouse, allerdings mit programmiertem Schlagzeug, einen leichten Anflug von Avantgarde und den Über-Popsong „Staring At The Sun“, gesungen von Celebration-Sängerin Katrina Ford. Man hätte nicht einmal sagen können, ob es black music oder white men’s blues war. Jedenfalls waren alle begeistert vom zweiten Album der Band (das erste, wenig bekannte „OK Calculator“ brachten sie im Eigenverlag heraus), und es gab das mittlerweile obligatorische Lob von David Bowie für die Vorab-EP „Young Liars“. Ich sah TV On The Radio zum ersten Mal bei einem Festival auf Coney Island, und sie wurden als „band from Williamsburg“ angekündigt. Wäre ich so nicht draut gekommen, mit diesem hippen Teil von Brooklyn verbindet man ja eher angesagte New-Wave-Revival-Kapellen wie die Yeah Yeah Yeahs. Wenn man genauer hinschaut, entdeckt man, dass die auch gar nicht so weit weg sind von TV On The Radio – weder auf dem Straßenplan von Brooklyn, noch auf der Poplandkarte. Denn TV On The Radio-Keyboarder und -Produzent David Sitek lebt tatsächlich in Williamsburg, hat da ein Studio und dort „Fever To Tell“, das aktuelle Album der Yeah Yeahs Yeahs, produziert.

„Return To Cookie Mountain“, das neue TV On The Radio-Werk, entstand auch dort. Die vielen unterschiedlichen Einflüsse sind nun kanalisiert und geben dem Album eine Richtung, anstatt auseinanderzudriften wie auf dem Vorgänger. Vielleicht liegt das daran, dass TV On The Radio neben Sänger Tunde Adebimpe und Gitarrist Kyp Malone nun mit Jaleel Bunton und Gerard Smith auch eine richtige Rhythmusgruppe haben, die dem analog-recording-Verfechter Sitek eine klassischere Live-im-Studio-Produktion ermöglichte. „Das letzte Album handelte mehr von uns als im Entstehen begriffener Band, das neue von der Welt, die uns umgibt. Da war es uns wichtig, einen massenwirksameren Ansatz zu wählen, damit das Album auch von Leuten gehört wird, die nicht zu unserem Freundeskreis gehören“, so Sitek. „Das ist Musik, die du hören kannst, wenn die Welt untergeht.“

Tatsächlich ist „Return To Cookie Mountain“ arg apokalyptisch geraten. Bilder von Krieg und Verfall bestimmen die Texte, die Musik klingt wie ein besserer Soundtrack zu „Blade Runner“. „Du kannst deine Umgebung und alles, was weltpolitisch so geschieht, nicht ausblenden. Und wir leben nun mal in in einer prä-apokalyptischen Zeit. Vielleicht habe ich auch deswegen in letzter Zeit so oft ,Apokalypse Now‘ geschaut. Diese Szene, wo die Helikopter aus dem Sonnenaufgang auftauchen, habe ich mir immer wieder angeschaut. Dieses Bild war vielleicht auch eine unbewusste Inspiration für das neue Album.“ Daher also Jaleel Buntons propellerndes Schlagzeug.

Schon der Bandname deutet ja darauf hin, dass die Band auch einen Hang zum Visuellen hat. Sitek, Adebimpe und Malone arbeiten auch als Maler, Filmemacher und bildende Künstler, was vermutlich auf dem bilderreichen „Return To Cookie Mountain“ seine Spuren hinterlassen hat. Auch wenn Sitek das gleich relativiert. „Mag schon sein, dass unsere Kunst auch eine Inspiration war, aber vermutlich nicht mehr als Brooklyn, Koffein oder Gras. Ich habe noch nie so viel davon geraucht, wie bei dieser Produktion. Es gab Momente, da habe ich einfach stoned mit Kopfhörern auf dem Studioboden gelegen.“

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