Versace und Guerilla

aya Arulpragasams Sohn, der vierjährige Ikhyd Edgar Arular, mag das neue Album seiner Mama. Von „Karmageddon“ bis „Sexodus“ singt er die Tracks laut mit. Vor sechs Monaten hat er noch bei der Zeile „Can’t break me down“ (in „Come Along With Me“) geweint. Er ließ sich fallen und hämmerte mit den Fäusten auf den Boden. „Ikhyd wollte nicht, dass irgendwer seine Mami bricht“, erklärt Maya in ihrem nachdenklichen, bestimmten Duktus. „Aber jetzt versteht er, dass das ja bedeutet, dass mich niemand brechen kann.“

Widerstand ist Mayas großes Thema. Musikalisch gilt das seit ihrem ersten Album „Arular“, für sie selbst seit ihrer Geburt. Ihr Vater Arular Arulpragasam war Mitglied der tamilischen Studenten-Opposition „EROS“. Maya selbst hat die Bürgerkriegspartei Tamil Tigers auf der Höhe ihres eigenen Ruhms, nach der Veröffentlichung ihres einzigen Hits „Paper Planes“, nach Kräften medial unterstützt.

Mit jedem neuen M.I.A.-Album schwappt ein bisschen Gewalt, Chaos und Exotik aus dieser für uns surrealen „Tagesschau“-Welt, die in der Politikwissenschaft „Global South“ genannt wird, herüber. Das sind die Schüsse in „Paper Planes“, das ist die Luxus-Schlagring-Ästhetik auf ihren Plattencovern, das sind die verzerrten Bollywood-Samples und Zeilen wie: ,,You wanna win a war?/ Like P.L. O. I don’t surrender“. Ihr Vater, heißt es, habe in einem PLO-Camp im Libanon für den Kampf auf Sri Lanka trainiert.

Mayas Widerstand ist eher ästhetischer Natur. Doch die letzten Schlagzeilen machte sie mit einer M.I.A.-Kollektion für Versace. „Ich habe darüber nachgedacht, nach Sri Lanka zu fliegen, als es da 2009 richtig losging. Aber dann kam ,Paper Planes‘ – und eine bekannte Künstlerin, die für Aufmerksamkeit sorgt, ist nützlicher als ein toter Underground-Act in Sri Lanka. Und jetzt steht mein Name auf der Homepage der Regierung: Sie sagen, sie hätten noch ein offenes Grab für mich“, erklärt Maya.

Popstars und Politik – oft wird es inhaltlich dünn, wenn man beim Interview noch mal nachhakt: „Bei Völkermord, Kriegsverbrechen oder einem verrückten Diktator, der gerade ’ne ganze Menge Leute umgebracht hat – es passiert nie, dass die USA Truppen dahin schicken und sich den Typen schnappen“, beschwert sich Maya. Um dann ins Esoterische abzudriften:“Wenn getötete Tamilen an die Wiedergeburt glauben, werden sie dann mit dem Gedanken der Rache wiedergeboren? Sind sie im nächsten Leben immer noch wütend?“ Über diesen Gedanken sei sie schließlich auch zu dem Titel und der Idee ihres Albums gekommen: Sie selbst heißt mit Vornamen Mathangi, wie die kriegerische Hindu-Göttin, nur mit „h“.

Auf dem neuen M.I.A.-Album „Matangi“ wird das Politische auch nicht viel deutlicher als im Interview. In „Sexodus“ singt sie: „You can have it all -but what you want it for“, und man ahnt, dass es Kritik an den Mächtigen dieser Welt ist und Kritik am westlichen, am kapitalistischen Lebensstil. „Es ist die zentrale Aussage meines Albums“, sagt die Rapperin.

Mayas Protest-und Polit-Chic funktioniert ästhetisch einwandfrei. Selbsterklärend ist er jedoch nicht. Und ein Interview hilft auch nur bedingt dabei. Aber was soll’s, schließlich ist ihre Kunst ja die Musik, und nicht das Gespräch.

Aber manchmal entpuppt sie sich sogar als Polit-Prophetin: „Headbone connected to the headphones, headphones connected to the iPhone, iPhone connected to the internet, connected to the google, connected to the government“, rappte sie 2010 auf „Maya“. Ihr kredibiler Freund Julian Assange wird begeistert gewesen sein – und wir wissen heute, dass M.I.A. damit verdammt hellsichtig war.

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