Vom Plattenlabel genötigt, setzten Salzgitters Vivid mit digital gefärbtem Rockpathos einen Trend. Nun folgen eigene Akzente

Als Vivid vor zwei Jahren mit ihrem Debüt „Go!“auf der Bildfläche erschienen, hielt die hiesige Musikszene kurz den Atem an. Mit einigermaßen zeitgemäßer Rockmusik und hippen Klängen aus der Maschine hatte das Quartett aus Salzgitter etwas geschaffen, das lange in der Luft lag und immer fordernder auf adäquate Umsetzung drang. Grunge war als Trend tot, und eine ganze Generation ständig zu spät kommender Rockmusiker versuchte ihn mit einer Prise elektronischem Brimboriums wiederzubeleben. Vivid bekamen den alten Wein zuerst in die neuen Schläuche und reüssierten über Nacht als neue Lieblinge der Nation. Für diesen Pioniergeist erhielten sie dann von der Branche sogar den Echo-Nachwuchspreis ’98.

„Tatsächlich waren diese Loops und technischen Spielereien auf Druck der Plattenfirmen entstanden, die weniger klassisches Rockflair wollten“, bekennt Thomas Hanreich allerdings, und ihr Trommler Torsten Kluske erklärt zur mangelnden Integrität achselzuckend: „Am Anfang machst du ab Band eben alles, was man dir sagt Und das Experiment hat ja auch hingehauen. Als es sich zum Schluß aber nur noch darum drehte, alles irgendwie modern zu machen, haben wir ein wenig die Kontrolle über unsere Musik verloren.“

Um solcher Kopflosigkeit zu entgehen, zogen sie sich ins eigens gebaute Studio zurück und werkelten mit dem Simple Minds-Produzenten und Peter Gabriel-Busenfreund Peter Walsh für sechs Monate am zweiten Album. „Ein Bild zu malen mit vier Leuten, die immer alles diskutieren müssen, ist nicht leicht“, resümiert Kluske. „Es gab Momente, in denen wir nicht wußten, ob diese Band noch existiert oder nicht“ Doch die Konfrontation in ihrem Mikrokosmos hat sich gelohnt „Sundown To Sunrise“ entgeht zumeist dem eigenen Klischee des etwas zwitterhaften Debüts, es hat die Kraft des Kollektivs und fließt mit digitalem Patchwork in atmosphärischer Dichte, die mal auf die jüngste Historie alternativer Rockmusik, mal auf große britische Bands in der letzten Dekade verweist. Auch wenn man sich in Vivids selbstverliebt kontrollierten Klangassoziationen ein paar Hierarchien wünschte, meistern sie dennoch die mittlerweile etwas höher gelegte Latte des nationalen Musikschaffens. Und befinden sie mit elegischem Alterna-Pop wie „Off We Go“ genau dort, wo sich heute A&R-Manager junge Bands wünschen.

„Wir haben mit diesem Album diesmal die volle Verantwortung übernommen“, betont Kluske unbeirrt das Credo von Vivid. „Sundown To Sunrise“ ist ein Werk, das niemandem irgendwas recht machen will – und vollkommen uns als Band repräsentiert Denn wer sich mit diesen Songs nur etwas identifizieren kann, der würde sicher auch mit uns als Menschen etwas anfangen können. Und das ist ein ziemlich gutes Gefühl.“

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