ABSCHIEDE

J. J. Cale

NTER DEN AMERIKAnischen Songschreibern war J. J. Cale ein unsichtbarer Riese. Er war ein scheuer, bescheidener Mann. Er mochte keine Reisen. Er hatte Flugangst. Er lehnte Promotion ab. Er hatte bloß einen großen Hit, „Cocaine“, an den sich nur ältere Semester erinnern, denn er datiert von 1977. J. J. Cale blieb ein Rätsel. Musikjournalisten arbeiteten sich an ihm ab, doch offenbar gab es gar kein Geheimnis um den Eigenbrötler: Er war irgendwie immer da, lebte in Los Angeles, schrieb sehr entspannte Songs und spielte die Gitarre auf eine Weise, die man „laid back“ nannte. Cale war immer etwas hinter dem Beat: Das ist eine schöne Metapher für einen Spätstarter, der dem Mainstream gelassen hinterherging und dem es egal war, wo gerade die Musik spielte. Als „Cocaine“ erschien, hörte man Disco und Punk. Cale hatte seine eigene Zeit.

Er wurde am 5. Dezember 1938 als John Weldon Cale in Tulsa, Oklahoma, geboren. Oklahoma ist amerikanisches Heartland; es herrschte in den 30er-Jahren große Armut unter der Landbevölkerung, die sich auf den Weg nach Kalifornien machte, um Arbeit zu finden. Doch die „Okies“, wie sie genannt wurden, waren nicht willkommen, wurden in Lagern untergebracht, arbeiteten für Hungerlöhne, wurden ausgebeutet oder zurückgeschickt. Cale beendete 1956 die High School und nahm als Johnny Cale einige Singles auf, ehe er in den frühen 60er-Jahren nach Los Angeles zog. Dort wollte kaum jemand seine Songs hören, und Cale arbeitete als Toningenieur in den zahlreichen Studios. Nach einigen Jahre durfte er immerhin in dem Club Whisky A Go Go auf dem Sunset Strip auftreten. Weil bei der Band The Velvet Underground ein walisischer Musiker namens John Cale spielte, schlug der Club-Besitzer Elmer Valentine das Pseudonym J. J. Cale vor. Später behaupteten manche Lexika, dahinter verberge sich „Jean Jacques“, und das wurde tüchtig abgeschrieben.

In Wahrheit verbarg sich John Cale dahinter, dem der Antrieb für eine richtige Karriere fehlte. Während in Los Angeles ansässige Songschreiber wie Neil Young, Crosby, Stills & Nash, Randy Newman, Jimmy Webb, Frank Zappa, Van Dyke Parks und Harry Nilsson mit Plattenverträgen ausgestattet wurden, gniedelte der mürrisch wirkende Cale weiter im Spätprogramm. Bis 1970 der vom Drogenkonsum angeschlagene Eric Clapton im Whisky A Go Go das Stück „After Midnight“ hörte, einen Song mit unterschwelligem Groove wie die meisten Songs von J. J. Cale. Clapton nahm „After Midnight“ auf, es wurde so etwas wie sein Erkennungslied, und noch heute spielt er es bei fast jedem Konzert. Der Engländer protegierte Cale fortan, was dem 1972 endlich einen Vertrag einbrachte. „Naturally“, das Debüt-Album, verkaufte ganz ordentlich, mehr nicht. Und so sollte es 40 Jahre lang mit Cales Platten bleiben, die von überschaubarer Zahl waren und schon im Titel den Minimalismus andeuten: „Really“,“Okie“,“5″, „Number 10″,“Guitar Man“.

Ähnlich lakonisch und trocken kultivierte Cale auch seinen Stil, der zwischen Blues und Jazz changiert und manchmal einen Haken zum Cajun, der Musik der französischen Einwanderer, schlägt. Sein Gesang war ein knorriges, zweckdienliches Instrument mit Texten über Freunde, Straßen, die Natur, das Wetter und Befindlichkeiten -Dinge also, über die man nachdenkt, wenn man im Schaukelstuhl auf einer Veranda sitzt und nichts zu tun hat außer eine Limonade zu trinken. 1972 hätte Cale sein Lied „Crazy Mama“ höher in die Charts bringen können, wenn er im populären „American Bandstand“ aufgetreten wäre. Doch er konnte seine Band nicht zusammenbekommen, und zum Playback wollte er nicht die Lippen bewegen. So blieb es bei Platz 22. Und weil J. J. Cale nicht nur nicht gern, sondern praktisch gar nicht reiste, verpasste er all die Promotion-Auftritte, Konzerte und Fernseh-Shows, die Geringere berühmt machen.

Die Songs des J. J. Cale spielten Tom Petty, Carlos Santana, Kansas, Waylon Jennings, Lynyrd Skynyrd und Joe Cocker. 2006 nahm er mit dem alten Freund Eric Clapton schließlich eine Platte auf, „The Road To Escondido“. Sein letztes Album, „Roll On“, erschien 2009, und der letzte Song darauf heißt „Bring Down The Curtain“. Der Mann, der wie eine Brise spielen konnte, starb am 26. Juli in La Jolla, Kalifornien, nach einem Herzinfarkt.

Amar G. Bose

Amar Gopal Bose wurde 1929 als Sohn eines indischen Freiheitskämpfers geboren. Bereits mit 17 ging er ans renommierte Massachusetts Institute of Technology. Die Legende besagt, dass er sich, unzufrieden mit dem Sound herkömmlicher Stereoanlagen, mit der Entwicklung des perfekten Lautsprechers beschäftigte. 1964 gründete er die Bose Corporation. Zu seinen Innovationen gehören die Verwendung von Equalizern sowie die Ausgliederung des Basslautsprechers wie etwa in Heimkino-Systemen. Bose verstarb am 12. Juli im Alter von 83 Jahren.

Mick Farren

Als er 1976 im „NME“ einen der denkwürdigsten Essays über die beginnende Punk-Bewegung veröffentlichte, war Mick Farren schon eine kleine Legende, hatte er doch in den Jahren 1967 bis ’69 als Sänger der Protopunk-Band The Deviants den Weg für ebendiese Strömung mitgeebnet. Seine radikalen Ansichten vertrat er aber vor allem als Musikjournalist. So schrieb Farren wiederholt gegen die zunehmende Kommerzialisierung des revolutionären Rock’n’Roll-Gedankens an. Er starb am 27. Juli, nachdem er während eines Deviants-Konzerts zusammengebrochen war.

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