Omikron – David Bowie steigt ins PC-Game-Universum ein

Vor seinem Jahrtausendkonzert in Neuseeland steigt David Bowie noch schnell ins PC-Game-Universum ein - für "Omikron" stellt er sogar acht Songs zur Verfügung.

The Man Who Fell Into Space“: David Bowie mutiert zum interaktiven Außerirdischen Boz. Das Irdische vorneweg: Auch im richtigen Leben ist David Bowie seiner Zeit voraus. Am 1.1.2000 wird er im neuseeländischen Gisborne das erste Konzert des neuen Jahrtausends geben – und damit Michael Jackson zuvorkommen, der seine Millenniums-Show weiter westlich in Sidney plant. Und jetzt das Außerirdische: Wer da nicht hin möchte, kann sich Bowie vorher auch in einem Qub in einer fernen Galaxie anschauen: Bei „Omikron: The Nomad Soul“ (Eidos, Veröffentlichung im Oktober; als Playstation-Version in den USA schon ab August), einem futuristischen PC-Game in 3-D, sind nicht nur acht neue Bowie-Songs zu hören -PC-Spieler werden dort auch mit derem digitalisierten Schöpfer konfrontiert: Nach Ziggy Stardust und Aladdin Sane gibt David Bowie jetzt Boz, the Virtual bring. Hat überhaupt nicht wehgetan: Als Bowie vor kurzem auf einer Pressekonferenz im JHouse Of Blues“ in West Hollywood über seine Pixel-Metamorphose sprach, hörte sich das an, als werbe er für eine Digitalisierung der kompletten Menschheit. „Wir sind das Ganze wie Dreharbeiten zu einem Film angegangen, aber es war viel simpler: Wir mußten einfach bloß wir selbst sein. Und Reeves fand das Gitarrespielen im All absolut angenehm. Wohl weniger Luftwiderstand, I guess.“ Zusammen mit seinem langjährigen Gitarristen Reeves Gabrels hat Bowie acht neue Songs für „Omikron“ ausgesucht angeblich aus einem Repertoire von insgesamt über 100 neuen Kompositionen („50 gute, 50 miese“). Er wolle der PC-Game-Sparte einen emotionalen Subtext geben und weg vom stereotypischen, industriellen Sound bisheriger Computerspiele, hat er gesagt. „Als ich vor Beginn der Arbeiten andere Spiele ausprobiert habe, ist mir aufgefallen, daß die meisten einen kalten emotionalen Drive haben – wenn sie überhaupt etwas Emotionales besitzen. Das haben wir nun endlich nachhaltig geändert.“ Sonst liegt über allem der Nebel von Omikron – über das Spiel weiß man nur das, was Eidos mit der branchenüblichen Geheimniskrämerei herausgelassen hat: Weltraum-Adventure, 400 Szenen, vier Städte, vier Stunden Dialoge zwischen insgesamt 140 virtuellen Charakteren – und besagte acht Bowie-Songs, die man in diversen Space-Bars von Omikron-City hören kann, in denen dieser digitalisierte Thin White Duke mit Band auftritt (ebenfalls animiert: Reeves Gabreis und Bassistin Gail Ann Dorsey). Und weil da draußen längst nicht mehr alle auflive-Mucke stehen, kann man einen Darsteller das Ganze auch auf einem Album kaufen lassen und in seinem Omikron Appartement hören. Unklar ist bloß die Rolle von Bowies ebenfalls virtualisierter Gattin Iman: Angeblich spielt die Gute ein Geschöpf, daß eine Erfindung namens „virtuelle Reinkarnation“ im Angebot hat. Die Idee zu Bowies PC-Game-Debüt stammt von Philip Campbell, einem Senior-Designer beim Londoner Spielemacher Eidos und nach eigenen Aussagen Mitglied im David-Bowie-Fanclub seit 1972. David sei sofort aufsein Angebot eingegangen, sagt er, „anschließend waren er und die anderen für zwei Wochen in Paris, um mit dem Designerteam von Quantic Dream zu arbeiten.“ Bowie sei sehr zurückhaltend, wenn es um die Verwendung seiner Musik gehe, heißt es in der offiziellen Erklärung der Software-Schmiede – offensichtlich sollte Bowies virtueller Einsatz als Boz noch bitreicher ausfallen. „Aber er hat gesagt, er wolle nicht alles auf einmal hergeben.“ Bowie ist zwar nicht der erste seiner Art, der die Metamorphose vom Musiker zum steuerbaren Game-Charakter vollzieht (vor ihm gab es in der virtuellen Spielchen-Welt schon Iron Maiden, Mogwai und The Residents; letztere allerdings staksten in der „Als die Bilder laufen lernten“-Ära des Mediums noch äußerst hölzern über den Schirm) – bloß wirkt so ein Schritt bei einem lebenslangen Impersonator wieihm überzeugter und damit überzeugender als bei den anderen. Sein Arbeitgeber Eidos lobt dann auch bei jeder passenden Gelegenheit Bowies Erkenntnis, daß PC-Spiele ein „wichtiger Bestandteil des multimedialen Entertainment-Mixes“ seien. Denn natürlich geht es bei „Omikron“ um viele Millionen, und natürlich wird Eidos die anstehende Werbekampagne komplett auf Boz aka Bowie konzentrieren. In den USA jedenfalls kommt schon jetzt keine einzige Erwähnung von „Omikron“ ohne den dreisten Zusatz „Blockbuster“ aus, ohne daß irgendwer das Spiel gesehen hätte. Oder, um mit Yoda zu sprechen: Play you mlL Bcmie goes binary: Auch angesichts seiner bisherigen Cyberspace-Oddity drängte sich der Schritt in virtuelle Welten geradezu auf. Bowie geistert seit 1993 durchs Web – damals hatte ihm ein befreundeter Silicon-Valley-Nerd ein Programm entwickelt, mit dem der Anhänger der Burroughschen Cut-up-Technik seine Lyrics in Schallgeschwindigkeit auseinanderschnipseln und neu zusammensetzen konnte. Aus der ersten Begeisterung über die Möglichkeiten elektronischen Arbeitens wurde fast so etwas wie eine Obsession: Heute steht The Thin Wired Duke an der Spitze der Bewegung. Herzstück seines Cyberspace-Imperiums ist das Bowienet (www.davidbowie.com), ein Internet Service Provider mit Supermarkt-Charakter (sein Betreiber nennt ihn vornehm JBoutique ISP“). Anders als bei ähnlichen Anbietern, die den Namen ihres Stars lediglich ab Aushängeschild verwenden, scheint Bowie 24 Stunden am Tag anwesend zu sein: Er beteiligt sich an Diskussionen und kommentiert Fan-Briefe. Kann gut sein, daß er sich demnächst komplett aus den körperlichen Welten verabschiedet Bis das soweit ist, denkt er über eine Mode-Linie nach, in deren Modelle man möglichst viel Computerzubehör stopfen kann, ohne unansehnlich zu sein: „Unsere Zukunft wird von tragbaren PCs bestimmt werden. Das ist okay – ich möchte bloß nicht, daß alle rumlaufen wie Devo.“

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