Whitney Houston: Die Verschwenderische. Ein Nachruf von Arne Willander

Zum Tod von Whitney Houston, einer der begabtesten Sängerinnen und schönsten Frauen ihrer Zeit.

In einer sogar für Soul-Sängerinnen frappierenden Häufigkeit sang Whitney Houston von der Liebe – und zwar selten von der platonischen oder altruistischen. Schon am Anfang ihrer Karriere hießen ihre Lieder „You Give Good Love“, „I Wanna Dance With Somebody (Who Loves Me)“ und „The Greatest Love Of All“. Das Fordernde in der Liebe entsprach dem verschwenderischen Umgang mit ihrem Gesangstalent, das von betörender Natürlichkeit war und vielleicht zu spektakulär durch die Oktaven getrieben wurde, statt in Balladen ruhig zu glühen.

Am 9. August 1963 wurde Whitney in Newark, New Jersey als Tochter von Cissy Houston geboren; Dionne Warwick war ihre Cousine, Aretha Franklin die Patentante. Es handelte sich also um die First Family of Gospel – Whitney sang bei Auftritten ihrer Mutter, 1979 dann mit Chaka Khan, später mit der Gruppe Material; zugleich arbeitete sie als Model. 1983 nahm sie der Platten-Mogul Clive Davis unter Vertrag. 1984 wurde als Versuchsballon die Single „Hold Me“ herausgebracht, ein Duett mit dem großen Teddy Pendergrass. Houstons Debüt-Album fiel in eine Zeit, da man in der Musikbranche in Platin-Auszeichnungen und Millionenverkäufen dachte. „Whitney Houston“ wurde 1985 entsprechend stromlinienförmig für den Mainstream-Markt  produziert und erfüllte die Erwartungen: 13 Millionen verkaufte Exemplare in den USA war auch damals eine Art Naturereignis.

Man kann behaupten, dass die Berater mit „Whitney“ (1987) und dem moderat modernisierten „I’m Your Baby Tonight“ (1990) alles richtig machten. Dazwischen lag noch der Hit „One Moment In Time“, der Song zu den Olympischen Spielen in Seoul, 1988. 1991 sang Whitney beim Finale der Super Bowl die Nationalhymne und war endgültig das Golden Girl der USA. Im folgenden Jahr triumphierte sie sogar mit dem belächelten Auftritt in dem Film „The Bodyguard“, einer Schmonzette mit Kevin Costner, der sie erstaunlich zartbittere Momente verlieh, indem sie ihre Diva zwischen eingebildeter Zicke und schutzbedürftigem Rehlein anlegte – eine Akkolade, die ihr wohl auch im Leben allzu gut gelang. Vom Soundtrack des überaus erfolgreichen Films stammt das Stück „I Will Always Love You“, Lieblingslied einer Generation von jungen (und nicht mehr ganz jungen) Frauen und Gipfelpunkt der Houstonschen Gesangsartistik. Schon der solide Dancefloor-Song „I’m Every Woman“ wirkte dagegen banal.

Vielleicht war es die Heirat mit dem Taugenichts Bobby Brown, die Whitneys Leben aus dem Ruder laufen ließ. „Der Teufel bin ich selbst“, sagte sie einmal – aber der Teufel hat den Schnaps gemacht und wahrscheinlich auch Kokain und Crack. Jahre später wurden Privatfilme aus dem Schlafzimmer gehandelt, eine Hausangestellte fühlte ich von Houston unsittlich bedrängt. Solche Anschuldigungen sind üblich – aber nur dort, wo sie auf fruchtbaren Boden fallen. Whitney Houstons Filmkarriere entwickelte sich mit „Waiting To Exhale“ (1995) und „The Preacher’s Wife“ (1995) unglücklich, der glänzende Gospel-Soundtrack zu „Wife“ wurde weithin ignoriert. Erst 1998 erschien mit „My Love Is Your Love“ wieder ein Album. Der mähliche Niedergang ist nicht nur an den Verkaufszahlen abzulesen, sondern vor allem an den Meldungen in der Klatschpresse und im Fernsehen. Seit 1993 war Whitney die Mutter eines Kindes, der Tochter Bobbi Kristina. Immer wieder sah man Fotos von der derangierten Sängerin, die von ihrem Mann geschlagen worden und stark abgemagert war. 2006 sprach Houston bei Beichtmutter Oprah Winfrey vor und trennte sich von Bobby Brown.

Obwohl das Album „I Look To You“ 2009 verhallt war, unternahm Whitney Houston eine Tournee, die zum Desaster geriet. Übers Internet wurden bald Schnipsel mit ihrer versagenden Stimme verbreitet, beim Konzert in Berlin wurde die Sängerin ausgebuht und verlacht. Das Publikum schaute der Tragödie fassungslos zu, die Presse konstatierte ratlos die Demontage auf offener Bühne.

Whitney hat sich nicht mehr erholt. Am Abend vor der Grammy-Verleihung wollte sie in Los Angeles eine Party von Clive Davis besuchen, heißt es. Am Nachmittag des Sonnabends wurde sie indes in einem Zimmer des Hotels Beverly Hilton leblos gefunden. Doch Whitney Houston, einst eine der schönsten Frauen und begabtesten Sängerinnen ihrer Zeit, hatte die Welt schon lange vorher verlassen. Sie hatte beinahe alles.

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