Wie Kinder im Süßigkeitenladen

Mit Timbalands Hilfe und viel Mut zur Veränderung hat Nelly Furtado ihre Version eines HipHop-Albums aufgenommen

Das kieksende Lachen, das Nelly Furtado gern durch den Raum prustet, wirkt größer als sie selbst. Die Sängerin sitzt in ihrer Heimatstadt Toronto auf einem viel zu tiefen Sofa, ihre Füße berühren kaum den Teppich. Was ganz gut zu ihr passt, denn Furtado hält nicht viel von Bodenständigkeit und solchem Quatsch. Sie lässt sich gern vom Leben überraschen – und hat noch viele, viele Ideen, womit sie uns demnächst verblüffen könnte. Momentan hat sie dies parat: „Loose“, das am 9. Juni erscheint, ist eine HipHop-Platte geworden. Dabei war die 27-Jährige doch mit folkpoppigen Songs wie „I’m Like A Bird“ bekannt geworden, und so ähnliche Stücke hatte sie auch für ihr drittes Album geplant. Sie schüttelt fröhlich den Kopf und gluckst: „Ich hatte 40 Songs, an denen ich ein Jahr lang gearbeitet hatte. Aber dann kam Timbaland ins Spiel, dessen Sound ich liebe – und so sind jetzt zehn Timbaland-Stücke auf dem Album, eins von Lester Mendez, bei dem mein Kumpel Juanes mitsingt, und zwei andere.“ Glaubt sie jedenfallls, denn ein bisschen hat auch sie den Überblick verloren. Irgendwann wird sie alles veröffentlichen, was liegengeblieben ist, aber erst muss sie mal erklären, wie das mit Timbaland kam.

Furtado ist seit mehr als fünf Jahren mit dem Produzenten befreundet, für sie ist er „like a distant musical cousin“. Auch wenn man es bisher kaum gehört hat: „R&?B und HipHop sind für mich das Natürlichste auf der Welt, ich liebe diese Musik schon ewig. Sie kam nur auf meinen Alben nicht vor. Irgendwann habe ich mich gefragt, warum eigentlich nicht? Bin ich ein Snob? Ist Hip-Hop nicht gut genug für ein Nelly-Furtado-Album? Also – die Regeln aus dem Fenster werfen und mal was Anderes machen.“ Das Werk heißt nun nicht umsonst „Loose“. Furtado ging an die Aufnahmen ganz entspannt heran. Sie wollte die Politur entfernen, den Mythos des Musikmachens aufbrechen. Deshalb hört man zwischen den Liedern auch einige Geprächsfetzen – eingefangen während der nächtlichen Aufnahmen in Miami (tagsüber ging Furtado lieber mit Tochter Nevis an den Strand).

Es gibt auch ein Duett mit Timbaland, „Promiscuous“, das – wie die meisten Tracks – vor allem nach ihm klingt, weniger nach der Sängerin. Was ein bisschen schade ist um diese Stimme, die hier gar nicht recht zur Geltung kommt. Furtado sagt: „Die beste Musik kommt zustande, wenn man mit dem Produzenten kämpft.“ Aber wenn der dann gewinnt? Sie kichert. „An manchen Tagen habe ich ihn gehasst. Und er hat mir immer verboten, im Aufnahmeraum zu tanzen. Manchmal hätte er mich am liebsten heimgeschickt.“

Sie blieb, und dann kamen auch noch diverse Kollegen im Studio vorbei. Pharrell Williams mischte ein bisschen mit, Kanye West hörte eine Weile zu, Chris Martin sang schließlich auf „All Good Things“ mit. „Als ich Chris erzählte, dass ich mit Timbaland arbeite, war er ganz begeistert. Timbaland ist wiederum ein großer Fan von Chris‘ Stimme und Melodien. Also: Er liebt dich, du liebst ihn – komm morgen ins Studio! Tat er dann auch. Die beiden waren wie Kinder im Süßigkeitenladen. Chris sagte immer: Wow, Timbaland! Und der sagte: Wow, Coldplay sind hier! Für ihn sind Coldplay und Chris nämlich dasselbe. Ich musste beide erst mal beruhigen, dann konnten wir den Song aufnehmen, das lief ganz lässig.“

Dass die lockeren Songstrukturen, die eher auf flotte Beats als auf große Melodien vertrauen, manchen Hörer enttäuschen könnten, ist Furtado bewusst. Nur ein Song, „In God’s Hands“, klingt noch nach der alten Nelly, der Rest könnte auch von Gwen Stefani sein, hätte Timbaland sich ihres Soloalbums angenommen. Furtado lässt sich von solchen Einwänden aber nicht die Laune verderben: „Natürlich weiß ich, dass manche Fans das Album nicht mögen werden. Das ist zwar traurig, aber man kann’s nicht ändern. Nächstes Mal wieder.“ Sie kichert noch einmal aus heiterem Himmel und sagt mit Nachdruck: „Mir gefällt es, die Leute zu verwirren und ihnen neue Tricks zu zeigen.“

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