Wir glauben an die Band

Krankheit! Krieg! Keine Ideen! Man hätte verstehen können, wenn Garbage sich nach dem ganzen Heckmeck aufgelöst hätten, aber sie sind noch nicht fertig

Als Garbage im September 2001 ihr letztes Album „Beautiful Garbage“ brachten, wähnten Shirley Manson, Butch Vig, Steve Marker und Duke Erikson sich auf dem Weg in das bis dahin angenehmste Kapitel der Band-Historie. Die neue Platte fühlte sich organischer an als die vorangegangenen, arg theoretischen Alben, und nach den Strapazen einer eineinhalb Jahre währenden Tour hatte man sich auf einen etwas entspannteren Gang verständigt Dann bricht die Hölle los: In der Woche des weltweiten Release explodieren in New York die Twin Towers, und die anschließenden Promo-Trips werden zu höchst verunsichernden Reisen ins Ungewisse. Kurz darauf- die US Tour im Vorprogramm von U2 läuft bereits – wird Butch Vig aufrecht dramatische Weise ins Krankenhaus eingeliefert. Diagnose: Hepatitis A. Es folgt eine sehr schwierige Zeit mit Miettrommlern und reichlich Krisengefühl, bis Vig ein halbes Jahr später wieder endgültig dabei sein kann.

Doch Vigs Zusammenbruch ist nur der Auftakt für eine lange Reihe von schlimmen Erkrankungen im direkten Umfeld der Band, die unter anderem den langjährigen Mischer und Mansons Eltern treffen – und schließlich die Sängerin selbst. Ende 2002 verliert Shirley Manson ihre Stimme und kann lange sechs Monate nicht singen, bis eine Stimmband-Operation den Neuanfang möglich macht. „Solange es irgend ging, haben wir durchgehalten“, sagt Shirley Manson im Rückblick. „Wer eine Platte veröffentlicht, zieht in den Krieg. Man geht raus und tut alles, damit die Leute die Musik hören. Es gibt kein Zurück.“

Trotz solchen Unglücks lag das größte Problem am Ende der Tourneen zu „Beautiful Garbage“ noch vor der Band. Schon beim ersten Versuch im Frühjahr 2003, neues Material zu schreiben, war die Stimmung miserabel. Vig floh bald nach L. A. und sprach vom Ende der Band, während Manson nur eine Pause verabredet haben will „Dieser Unterschied in der Wahrnehmung beleuchtet wunderbar unser Problem“, sagt Manson mit bitterem Lächeln, sagt aber nicht, was das heißen soll. „Wir haben uns zwei Monate später zusammengesetzt und überlegt: Wollen wir die Band noch? Können wir noch mal etwas schaffen, das wir uns selbst anhören würden? Noch mal den Berg rauf? Wir hatten zunächst wirklich keine Lust dazu.“

Besonders Butch Vig hatte in der Vergangenheit öfters davon gesprochen, das bequeme Produzentenleben womöglich gern wiederhaben zu wollen. „Mark my words“, sagt Manson mit ihrem wie immer ganz reizenden Zynismus, „wenn Garbage aus und vorbei sind und Butch zu Hause auf seinem fetten Arsch sitzt, wird er ausgesprochen positiv über seine Zeit als Rockstar denken…“

Wie Garbage schließlich wieder zueinander fanden: schwer zu sagen. Jedenfalls erzählt Manson von Treueschwüren, von 100 Prozent Hingabe und einem sehr bewußten Neuanfang. Allerdings auch von deutlichen Schwierigkeiten, diesen Neuanfang mit Leben und neuen Liedern zu füllen. „Dieser Komplex sitzt tief in der Band: Können wir eigentlich Songs schreiben? Eine ganz normale Band sein, nicht bloß dieses Produzentenprojekt? Ich für meinen Teil habe beispielsweise bis zu diesem Album nie an meine Stimme geglaubt Ich mußte sie erst fast für immer verlieren, bis ich sie zu schätzen gelernt habe.“

Nun sind Garbage auf „Bleed Like Me“ immer noch nicht U2, und das Maschinelle, Konstruierte bleibt auch auf Album Nummer vier ein Wesensmerkmal. Doch gerade Manson pflanzt dem Cyborg hier und da ein Herz ein und singt deutlich direkter und menschlicher, was den mal krachigen, mal 80spoppigen Songs sehr gut tut. „Es wäre einfach gewesen, Garbage den Rücken zu kehren und einfach alles hinzuwerfen“, sagt sie, „aber das wäre nicht richtig gewesen. Ich glaube an die Romantik der Rock’n’Roll-Band, an die Idee, daß verschiedene Leute etwas kreieren, das größer ist als sie selbst. Solche Mikrokosmen sind gerade im momentanen Klima wichtig. Die Konflikte, der Krieg, das Leiden, all das bekam bei der Produktion eine seltsame Bedeutung. Das hört man.“

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